Spiel mit dem Tod (German Edition)
glaubten den Sprüchen der Politiker, meinten innerhalb einiger Jahre das Niveau der westlichen Bundesländer erreichen zu können. Es blieb eine Hoffnung. Ob sich die Ostdeutschen mit dem heutigen Wissen noch einmal in dieses Abenteuer stürzen würden? Und wie denken die Neumitglieder der EU in zehn Jahren über ihren Entscheid? Der Kommissär war froh, dass sich die Schweiz bisher nicht zu einem Beitritt hatte durchringen können. Andererseits befürwortete er die bilateralen Verträge, die zwischen dem Moloch und dem Zwerg ausgehandelt worden waren. Irgendwelche Konzessionen müssen wir eingehen. Die Bazzen-und-Weggli-Mentalität greift nicht. Aber immer noch besser, einzelne Abkommen zu ratifizieren, als einem Riesen beizutreten, der langsam aber sicher nicht mehr zu steuern war. Was geschieht an dem Tag, an dem die reichen Länder der EU nicht mehr zahlen wollen oder nicht mehr können? Daran war gar nicht zu denken, Ferrari verdrängte seine düsteren Gedanken.
Edith Rost konnte die Verwandtschaft mit ihrer Mutter nicht leugnen. Erstaunt nahm der Kommissär zur Kenntnis, dass Hansruedi Pfirter auch an dem Gespräch teilnahm.
«Es stört Sie doch nicht, wenn Hansruedi zuhört.»
«Ganz und gar nicht.»
Nach einigen Minuten gegenseitigen Abtastens kam Ferrari auf den Punkt.
«Wussten Sie, dass Ihr Vater eine Lebensversicherung für Sie abgeschlossen hat?»
«Was für eine Versicherung?»
Entweder war sie eine gute Schauspielerin oder tatsächlich vollkommen unwissend. Sie blätterte die Unterlagen durch, die der Kommissär mitgebracht hatte.
«Wusstest du davon, Hansruedi?», fragte sie mit zitternder Stimme.
Ihr Freund, der sich bisher nicht am Gespräch beteiligt hatte, rutschte nervös hin und her.
«Sie werden es sowieso rauskriegen. Ich bin Versicherungsmakler. Und Hans schloss die Versicherung bei mir ab. Es ist aber keine eigentliche Lebensversicherung, sondern eine Risiko-Todesfallversicherung», gestand er.
«Was? Bist du verrückt? Und das hinter meinem Rücken, ohne mir etwas davon zu erzählen?»
«Bitte, Edith! Hans wollte nicht, dass du und Christina davon erfahren.»
«Ich glaube es nicht! Wie lange sind wir schon zusammen? Zwei, nein, beinahe drei Jahre! Und wie viel Zeit haben wir damit verbracht, über Mamis Selbstmordtheorien zu diskutieren? Und dann gehst du hin und unterstützt meinen Vater noch dabei.»
«Aber Edith, er wollte es so. Und wenn ich die Versicherung nicht abgeschlossen hätte, wäre er zu einem anderen Makler gegangen.»
«Dann wäre es das Normalste auf der Welt gewesen, mich darüber zu informieren.»
«Und was hätte das geändert?»
«Ich … ach, ich weiss auch nicht. Ich bin … so enttäuscht von dir, Hansruedi, und fühle mich hintergangen. Ich dachte, wir vertrauen uns bedingungslos. Und jetzt das. Ganz abgesehen davon, dass es absolut verantwortungslos war.»
«Bitte, Liebling, betrachte es doch auch aus meiner Sicht. Hans nahm mir das Versprechen ab, dass ich nichts ausplaudere. Er erklärte mir, weshalb er die Versicherung abschliessen wolle. Christina sei über die Pensionskasse abgesichert. Nun wolle er, falls ihm etwas zustosse, auch dich absichern. Ich habe mir nichts dabei gedacht.»
«Auch nicht nach all den Diskussionen über seine Selbstmordabsichten?»
«Die habe ich schlicht nicht ernst genommen», gab er kleinlaut zu.
«Nicht ernst genommen!», explodierte Edith Rost. «Du willst mich heiraten und gleichzeitig nimmst du mich und meine Familie nicht ernst? Das ist ungeheuerlich.»
Ferrari wollte eigentlich nicht am Familienstreit teilnehmen und versuchte, das Gespräch auf eine sachlichere Ebene zu lenken.
«Wenn ich kurz das bisher Gesagte zusammenfassen darf. Sie sind also Versicherungsmakler und haben diese Police abgeschlossen, richtig?»
«Ja. Auf ausdrücklichen Wunsch von Herrn Rost.»
«Und Sie, Frau Rost, wussten nichts davon?»
«Nein, sonst hätte ich den Blödsinn sofort rückgängig gemacht!»
Edith Rost zündete sich nervös eine Zigarette an.
«Die Police wurde vor einem Jahr abgeschlossen. Gab es einen besonderen Grund für diesen Zeitpunkt?»
Pfirter dachte angestrengt nach.
«Ich glaube nicht. Aber ich verstehe nicht ganz, auf was Sie hinaus wollen.»
«Mich interessiert, ob Hans Rost erklärte, weshalb er gerade zu diesem Zeitpunkt die Police abschliessen wollte.»
«Ach so. Ja, er erzählte mir von einem Arbeitskollegen, der von einem Tag auf den anderen gestorben sei. Das gab ihm zu denken und er wollte
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