Spiel mit der Liebe
sie sähen, dass sie hier zeichnete, deshalb hatte sie ihren Skizzenblock in der Kutsche gelassen. Es machte nichts. Sie war sicher, dass dies ein Anblick war, den sie nie wieder vergessen würde.
Sie kamen zu einer Stelle im hinteren Teil der Menschenmenge, in einiger Entfernung von den Galgen. Clay zog sie eine Treppe hinauf, die in ein Backsteingebäude führte. »Ist das nahe genug für dich?« Ihr entging nicht der kühle Unterton in seiner Stimme.
»Ja. Das sollte genügen.« Sie lehnte sich gegen die raue Wand, ihre Finger umklammerten das kalte Eisengeländer, und sie war dankbar, dass sie sich festhalten konnte.
Als die Hinrichtung begann, stand Clay steif neben ihr, der eisige Wind fuhr durch sein dichtes braunes Haar. Es wurden Reden gehalten, lange Gebete gesprochen.
»Bleib hier«, sagte er, als sein Blick auf jemanden in der Menge fiel. »Ich glaube, ich habe einen Freund gesehen.«
Sie hoffte, er würde sich beeilen, als sie ihm nachsah, wie er die Treppe hinunterging, und ihre Blicke folgten ihm, als er zu einer großen Gestalt in einem Umhang ging, die am Rande der Menschenmenge stand. Gekleidet wie ein Gentleman, in eine schmucklose schwarze Jacke und eine ebensolche Hose, war der Mann schlank, sein Haar rabenschwarz, und sein kantiges, gut aussehendes Gesicht war in gewisser Weise schön. Sie fragte sich, warum dieser Mann wohl hier war, da er ernst und in sich gekehrt schien und nichts von der Fröhlichkeit der anderen Menschen zeigte.
Sie beobachtete ihn einen Augenblick, dann kehrten ihre Blicke zu der Plattform zurück und dem makabren Geschehen, das ihr Interesse gefangen nahm. Die Gedanken wirbelten durch ihren Kopf, sie nahm Bilder in sich auf, Linien und Zusammenhänge, die sie nutzen würde für die Zeichnung, wegen der sie hierher gekommen war.
Nur die Gefangenen fehlten noch. Kitt starrte auf die vier baumelnden Schlingen, die auf die unglücklichen Opfer warteten, und betete, dass Clay zurückkehren würde, ehe die Hinrichtung wirklich begann.
18
»Ich dachte mir, dass du das bist.« Clay streckte seinem Freund, Adam Hawthorne, die Hand hin, und dieser schüttelte sie. »Ich habe geglaubt, du seist noch auf dem Kontinent und würdest dein Bestes tun, die Franzosen auszurotten.«
Adam lächelte ein wenig, und Clay bemerkte die schmale Narbe unter seinem Haaransatz, die bis zu seinem Kinn reichte. »Ich wurde verwundet. Für mich ist der Kampf vorüber.«
Clay betrachtete ihn prüfend. »Wenigstens bist du noch in einem Stück.« Sie kannten einander seit ihrer gemeinsamen Zeit in Oxford. Als zweiter Sohn des Grafen von Blackwood war Adam ein ernster Junge gewesen, mehr als die meisten der anderen hatte er sich Sorgen um seine Zukunft gemacht. Da er einen älteren Bruder hatte, der den Titel der Blackwoods und auch das Vermögen erben würde, und da es für ihn nur wenig andere Möglichkeiten gab, war er mit einundzwanzig Jahren in die britische Armee eingetreten. Das Letzte, was Clay von ihm gehört hatte, war, dass Hawthorne Major der Kavallerie war. Offensichtlich war er das jetzt nicht mehr.
»Bist du für immer in die Stadt zurückgekehrt?«, wollte Clay wissen.
Adam nickte. »Wie es scheint. Es gibt da einige Angelegenheiten, um die ich mich kümmern muss. Vor einigen Wochen ist mein Bruder an einer Lungenentzündung gestorben.«
»Mein Beileid. Ich habe noch gar nichts davon gehört. Ich habe deinen Bruder immer gemocht.« Er zog fragend eine Augenbraue hoch. »Wenn ich mich recht erinnere, wirst du jetzt den Titel erben.«
Adam verbeugte sich kurz, ein wenig zynisch. »Adam Hawthorne, der neue Graf von Blackwood, zu Ihren Diensten.«
»Meinen Glückwunsch.«
»Mir wäre lieber, wenn Carter noch lebte. Aber so sind die Dinge nun einmal, nicht wahr?«
»Ja, ich denke schon.«
»Ich habe gehört, dass du kürzlich geheiratet hast.«
»Offensichtlich bist du schon länger zurück in der Stadt, als ich dachte.«
Adam blickte zu der Stelle, wo Kassandra auf den Stufen stand. »Der kleine Teufelsbraten von Stockton, wie ich annehme. Eine interessante Wahl. Ich habe immer geglaubt, wenn der richtige Mann erst einmal käme, würde die Lady eine gute Ehefrau sein.«
Clay kämpfte gegen die Überraschung und auch gegen einen unerwarteten Stich von Eifersucht. Groß und schlank, mit breiten Schultern und schmalen Hüften, war der neue Graf von Blackwood intelligent und auf eine harte, ein wenig brutale Art gut aussehend, die Narbe, die er jetzt trug, gab dem Ganzen noch
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