Spiel mit der Liebe
auch schon vorher gewusst hatte, wer sie war. Sie versuchte, sich an ihn zu erinnern, versuchte, sich ihn in der leuchtend roten Uniform eines britischen Majors vorzustellen, weil Clay ihr gesagt hatte, dass das sein Rang war, und ihr wurde klar, dass sie sich ganz sicher an ihn erinnert hätte, wäre sie ihm in der Vergangenheit bereits begegnet, ganz gleich, was er getragen hätte.
Sie unterhielten sich eine Weile, dann kam Anna zu ihnen. Die Frauen begannen ihre eigene Unterhaltung, und die beiden Männer gingen weiter. Sie tanzte mit dem Grafen von Winston, ihrem Gastgeber, dem Herzog von Chester, und einmal mit Peter Avery. Der Abend verging, und ihre Sorgen um Clay ließen nach, bis sie sah, wie Elizabeth Watkins zu ihm trat.
In einem weißen, mit Silber durchwirkten Kleid, das schwar-ze Haar hochgesteckt und im Schein der Kerzen glänzend, sah sie aus wie eine hellhäutige Göttin. Sie sagte etwas zu ihm, und Clay lächelte. Er lachte über eine Bemerkung, die sie machte, senkte den Kopf zu ihr, und Kitt fühlte sich ganz krank.
Ihr Mann liebte sie jede Nacht, und er schien ihrer nie müde zu werden, doch mit der Zeit würde es schon noch so weit kommen. Sie entdeckte Lord Percy Richards, der neben seiner Frau stand, und erinnerte sich an die Geliebte, die am Tag der Hinrichtung bei ihm gewesen war. Wie konnte Lady Percy es ertragen, ihren Ehemann mit einer anderen Frau zu teilen? Vielleicht wusste sie nichts von seiner Affäre, doch es war eher wahrscheinlich, dass sie einfach nur so tat, als wisse sie es nicht.
So war es nun einmal in der gehobenen Gesellschaft, ein solches Benehmen wurde von einer gebildeten Frau erwartet. Eine Frau ignorierte die Untreue ihres Mannes, und auch wenn Ariel mit einem Mann gesegnet war, der ihr treu war, so konnte sich Kitt das bei Clay nicht vorstellen. Während sie sich mit Peter unterhielt, sah sie, wie er sich von Lady May verabschiedete und ein paar Minuten später mit der Herzogin von Chester tanzte. Kitt sah, wie die Frau errötete und sich mit dem Fächer Luft zuwedelte, sie sah, wie sie über alles lachte, was Clay sagte. Die Frauen liebten ihn. Das war schon immer so gewesen.
Ihr kam der Gedanke, dass auch sie nicht anders war als all die anderen Frauen - bis auf die Tatsache, dass sie mit ihm verheiratet war.
Kitt biss sich auf ihre Unterlippe, die plötzlich zitterte. Lieber Gott, was war sie doch für ein Dummkopf. Wie hatte sie zulassen können, dass sie sich in ihn verliebte?
»Guten Abend ... Mylady.«
Ihre Aufmerksamkeit wurde von Clay abgelenkt. Beim Klang der ihr bekannten Stimme erstarrte sie, und ein Schauer rann über ihren Rücken. »Guten Abend, Lord Westerly.«
Er blickte auf die Tanzkarte, die sie steif in der Hand hielt.
»Ich sehe, dass Sie noch einen Tanz frei haben. Warum tanzen wir nicht?«
Ihr Magen hob sich. Sie dachte an seine dünnen weißen Finger und die zu blassen Augen, und die Galle stieg ihr in den Mund. Sie wollte ihm sagen, dass er sich zum Teufel scheren sollte, doch der ganze Raum war voller Menschen.
Sie bemühte sich, ihrer Stimme einen normalen Klang zu geben. »Ich fürchte, ich fühle mich ein wenig müde. Ich denke, ich werde diesen Tanz auslassen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Oh, aber das habe ich.« Er wandte sich zu der Herzogin um, die gerade zusammen mit Clay zu ihnen getreten war. »Was würden Sie sagen, Mylady? Diese Dame schenkt ihrem eigenen Mann viel zu viel Aufmerksamkeit. Das ist sehr ungewöhnlich. Ich biete ihr eine Möglichkeit, das zu ändern.«
Die Herzogin lachte. »Stephen ist ein sehr guter Tänzer. Natürlich sollten Sie mit ihm tanzen.«
Sie wollte ablehnen. Gütiger Himmel, sie wollte ihm dieses zufriedene Lächeln aus dem Gesicht schlagen. Doch wenn sie das tat, würde es sicher einen Skandal geben, und lieber Gott, das wollte sie auf keinen Fall. Stattdessen warf sie Clay einen flehenden Blick zu, der die Stirn in nachdenkliche Falten gelegt hatte, dann nahm sie Westerlys Arm und ließ sich von ihm zur Tanzfläche führen.
Der Tanz schien nicht enden zu wollen. Jedes Mal, wenn die Reihe sich nach vorn bewegte und sie gezwungen war, Stephens Hand zu ergreifen, hob sich ihr Magen. Sie zwang sich, ihn anzusehen, ihr Mund war trocken, und in ihren Handschuhen begannen ihre Hände zu schwitzen.
»Lächle, Mylady. Du möchtest doch ganz sicher nicht, dass irgendjemand ahnt, was du denkst.«
Gott im Himmel, das war das Letzte, was sie wollte. »Solange du es weißt, genügt mir das.«
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