Spiel mit mir!: Roman (German Edition)
bleiben müssen.
Doch abgesehen von ihrer Angst vor King Bobby hatte sie noch einen zweiten guten Grund, vorerst in Boston zu bleiben. Sie wollte mehr Zeit mit Mike verbringen und ihn davon überzeugen, dass sie nicht die Art von Mensch war, für die er sie jetzt hielt. Er sollte begreifen, dass ihn sein erster Eindruck und das Bauchgefühl, das ihn dazu veranlasst hatte, sich überhaupt auf sie einzulassen, nicht getäuscht hatten.
Sie wollte ihren Ehemann kennenlernen. Sie hatte ständig an ihn denken müssen – und nicht bloß deshalb, weil sie ihn betrogen hatte und ihm sowohl eine Menge Geld als auch eine Erklärung schuldete. Seine Bartstoppeln und das sportliche Jackett, das er vor Gericht getragen hatte, verliehen ihm eine kantige Lässigkeit. Er war genauso sexy, wie sie ihn in Erinnerung gehabt hatte, doch sein ungezwungenes Lächeln und die entspannte Ausstrahlung, die er in Vegas versprüht hatte, waren verschwunden. Jetzt hatte sie es mit einem hochgradig misstrauischen Mann zu tun, der reingelegt worden war.
Sie biss sich auf die Unterlippe und starrte aus dem Fenster. Sie hatten Boston schon eine Weile hinter sich gelassen und fuhren durch grüne Wiesen und von Bäumen gesäumte Felder. Das war etwas völlig anderes als die trockene Wüste von Nevada oder der Smog von L.A.
Sie könnte sich durchaus an diese neue, grüne Umgebung gewöhnen. Auch Boston gefiel ihr, zumindest das, was sie bisher davon gesehen hatte, und ab morgen würde sie mehr davon entdecken. Vielleicht war es ja genau die richtige Stadt, um ein neues Leben anzufangen. Und mit etwas Glück würde sie in einem der großen Hotels dort einen Job finden.
Seit ihre Großeltern vor ein paar Jahren gestorben waren, hatte sie nur noch ihren Vater, und den konnte sie auch hier in einem Heim unterbringen. Auf diese Weise konnte sie die Jahre, die ihm noch vergönnt waren, mit ihm verbringen, ohne ständig fürchten zu müssen, dass Marshall aufkreuzen und Unruhe stiften könnte. Außerdem wollte sie herausfinden, ob diese Ehe eine Chance hatte. Nicht nur, weil sie Mike beweisen wollte, dass sie ein guter Mensch war, sondern vor allem auch um ihrer selbst willen.
So schnell würde sie die Flinte nicht ins Korn werfen. Sie hatte sich auf diese Ehe eingelassen, und sie würde ihr Bestes geben, damit sie funktionierte.
Das war natürlich vorerst noch Zukunftsmusik, wie ihr der harte Zug um Mikes Mund und sein energisch vorgeschobenes Kinn verrieten, aber so war sie nun einmal. Übereifrig und stets mit voller Kraft voraus, versuchte sie immer, mit ihrem Charme und ihrem fotografischen Gedächtnis das Beste aus jeder Situation herauszuholen. Auf diese Weise hatte sie sich in Beverly Hills ihren Ruf als Top-Concierge verdient.
Sogar Brad Pitt höchstpersönlich hatte von ihren Diensten Gebrauch gemacht und sie an seine Bekannten weiterempfohlen. Der einzige Wermutstropfen an ihrem Leben in Los Angeles war gewesen, dass sie ihre Krankenkasse nicht hatte überzeugen können, ihren Vater bei sich mitzuversichern. Nur deshalb war sie nach Vegas und in Sams Welt der geheimen Pokerspiele um maximale Einsätze zurückgekehrt.
Andererseits hatte sie auf diesem Weg aber auch Mike Corwin kennengelernt. Was für ein Mann. An diesem einen Tag, den sie mit Mike verbracht hatte, war ihr klar geworden, was ihr in Beverly Hills zu ihrem Glück noch gefehlt hatte. Für ein erfülltes Privatleben war sie dort viel zu beschäftigt gewesen, ihr Job hatte sie völlig in Anspruch genommen, und das war damals okay für sie gewesen. Doch die Angst, ihren Vater zu verlieren, kombiniert mit jenem unvergesslichen Tag – und der Nacht – mit Mike hatten ihr klargemacht, dass sie einen Menschen brauchte, der auf sie wartete, wenn sie abends nach Hause kam. Einen Menschen, mit dem sie reden konnte und der dafür sorgte, dass sie sich lebendig fühlte. Wie Mike es in den vierundzwanzig Stunden getan hatte, die sie miteinander verbracht hatten.
Sie wollte einfach wissen, ob er der Mann war, der für sie bestimmt war. Und sie war fest entschlossen, diese Chance beim Schopf zu packen. Mit beiden Händen, so, wie sie auch alles andere in ihrem Leben anpackte. Das war sie sich schuldig.
»Hast du etwas?«, fragte Mike in die lange Stille hinein.
»Nein, wieso?«
»Weil du geseufzt hast.«
»Ist mir gar nicht aufgefallen.«
»Hör zu, was meinen Vater angeht …« Er verstummte.
»Du hast bereits erwähnt,
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