Spiel ohne Regeln (German Edition)
Reichweite einer Frau herumliegen zu lassen, der er gerade mit dem Taschenmesser die Haare abgeschnitten hatte, war nicht unbedingt einer der Glanzpunkte in seiner blutbefleckten Karriere.
Er ließ sich von ihr aus der Tür jagen, und sie knallte ihm ins Gesicht. Das Geräusch brachte seine Ohren zum Klingeln.
Scheiß drauf! Er hatte die Brücken hinter sich eingerissen. Auf ziemlich spektakuläre Art und Weise. Aber so war er nun mal, es lag ihm einfach im Blut.
Nick bewegte sich die Treppe hinunter, als wäre er von jemand anderem programmiert worden. Von jemandem, der es nicht gut mit ihm meinte. Er zog die Schlüssel aus der Tasche, stieg in den Van und legte den Gang ein. Widerstreitende Gedanken duellierten sich in seinem Kopf. Er hätte ihr seine Nummer hinterlassen sollen, falls Zhoglo …
Nein.
A) Das Risiko, dass ihr etwas passierte, verringerte sich exponentiell, wenn sie keinen Kontakt zu ihm hatte. B) Falls Zhoglo sie fand, hätte sie nicht den Hauch einer Chance, Hilfe zu rufen. Sie würde es nicht kommen sehen.
Und er wäre besser dran, wenn er nie davon erfahren würde.
Mechanisch fuhr er zu seiner Wohnung, parkte auf seinem Stellplatz und saß dort eine lange, zeitlose Weile, sein Kopf wie leer gefegt. Schließlich fasste er in seine Tasche und zog die zusammengeringelte Strähne seidigen braunen Haars hervor, die er eingesteckt hatte.
Er streichelte sie. Sie war so unglaublich weich. Was zur Hölle tat er da? Hielt er sie für irgendeine kranke Trophäe? Er hatte keine Ahnung.
Er sollte sein Hirn besser wieder auf Touren bringen und anfangen nachzudenken, wenn er überleben wollte. Er versuchte es, aber genauso gut hätte er einem toten Pferd die Sporen geben können.
Auf jeden Fall musste er in Bewegung bleiben. Und sich von Becca fernhalten. Ein kurzer Stopp, um seinen Kram zu holen, dann wäre er auf und davon. Sollte Zhoglo ihn erwischen und foltern, wäre Beccas Aufenthaltsort das Erste, was er würde wissen wollen. Nick machte sich keine Illusionen, wie lange er einem professionellen Peiniger standhalten könnte. Es spielte keine Rolle, wie zäh man war. Am Ende bekamen sie, was sie wollten.
Er wünschte, er hätte ihr genügend Angst eingejagt, um sie zur Flucht an einen fernen, selbst ihm unbekannten Ort zu bewegen, aber dieses starrsinnige Mädchen ließ sich unmöglich einschüchtern. Gleichzeitig konnte er jedoch nicht einfach ihren Namen oder ihre aktuelle Adresse aus seinem Gedächtnis löschen. Momentan war die größte Bedrohung für Beccas Sicherheit die Information in seinem Gehirn. Er würde nachts keinen Schlaf finden, solange er wusste, dass Zhoglo dort draußen war und nach ihr suchte.
Wobei er generell nicht viel schlief seit der Sache mit Sveti und Sergei.
Ratlos tigerte er durch sein Apartment. Es erschien ihm fremd. Leer und kalt. Ein Parkplatz für seine Sachen und gelegentlich für seinen Körper. Es war nie sein Zuhause gewesen. Er hatte seit Jahren nie wirklich Zeit darin verbracht.
Er brauchte nicht lange, denn er besaß nicht viel. Ein paar Schusswaffen, einige Lieblingsmesser. Seine Festplatte, sein Laptop. Mehrere Fotos von seiner Mutter. Er besaß keine von seinem Vater und wollte auch keine. Abgesehen davon, wenn er sich daran erinnern wollte, wie sein Vater aussah, musste er sich nur vor den Spiegel stellen und sich mit verschlagenem Blick, verkniffenem Mund und gerümpfter Nase betrachten. Er war ein Abbild seines Erzeugers. Das Einzige, was fehlte, war der Alkoholdunst, der seinem Vater aus jeder Pore geströmt war.
Er nahm das Foto von Sveti und Sergei von der kahlen Wand. Es war grobkörnig und von schlechter Qualität, nur mit einem Handy aufgenommen. Er wusste nicht genau, warum er es gerahmt hatte, schließlich war er so gut wie nie in der Wohnung, um es sich anzusehen.
Er stemmte den billigen Rahmen auf, um das Foto in einen wattierten Umschlag zu stecken. Beim Anblick von Svetis süßem Gesicht krampfte sich sein Magen zusammen. Er starrte es an und versuchte, die Wahrheit zu schlucken wie eine bittere Pille.
Das Beste, was er an diesem Punkt noch für Sveti tun konnte, war Zhoglo zu eliminieren. Nur wurde diese Aussicht immer unwahrscheinlicher, ganz abgesehen davon, dass es ein Selbstmordkommando war. Aber, hey! Was zum Teufel sollte er sonst mit sich anfangen?
Eine letzte Sache noch. Er zog seinen Fliegenfischer-Angelkasten aus dem Wandschrank und kramte darin herum, bis er einen verschließbaren Plastikbeutel fand, wie ihn
Weitere Kostenlose Bücher