Spiel Satz Tod - Kriminalroman
nicht länger als zehn Minuten gedauert, und ich konnte gar nicht glauben, dass wir noch eine ganze Stunde Trainingszeit hatten. Ich wünschte mirnichts sehnlicher, als irgendwo ins Kühle zu kommen und ein riesiges Bier in mich hineinzuschütten. Doch ich trug die Verantwortung.
»Okay, zurück zum Tennis. Brittany, holen Sie bitte den Trainingsplan von meinem Schreibtisch und sagen Sie jedem, auf welchem Platz er heute spielt. Und Eric, Sie helfen mir bitte, den Wasserspender wieder zu füllen.«
Brittany rannte los, um den Plan zu holen, und Eric, immer noch weiß wie eine Wand, hob den orangefarbenen Behälter auf, der auf der Seite lag. Er war etwas staubig, aber unversehrt. Ich griff nach dem weißen Deckel, und langsam gingen wir in Richtung Cafeteria.
»Das … tut mir alles so leid«, sagte Eric kaum hörbar und wagte nicht, mich anzusehen.
»Sie können doch nichts dafür.«
»Ich komme nicht mehr zum Tennisunterricht«, bot er deprimiert an. »Ich kann auch anderen Sportunterricht besuchen.«
Ich sah seine hängenden Schultern und den gesenkten Blick unter dem hellblonden Haar. Er wirkte wie ein Hündchen, dem man eins auf die Nase gegeben hatte. Das gefiel mir überhaupt nicht.
»Ich möchte nicht, dass Sie den Tennisunterricht aufgeben. Sie gehören zu unserer Mannschaft.«
»Mein Vater …«, begann er.
»Ja, Ihr Vater.« Ich durfte nicht sagen, was ich über den wirklich dachte, nicht zu diesem unglücklichen Jungen. »Er will offenbar nur das Beste für Sie«, stellte ich stattdessen fest.
Er sah mit seinen blauen Augen kurz zu mir auf und senkte dann den Blick wieder. »Das stimmt. Er hat immer das Beste für mich gewollt … Und dass ich überall der Bestebin. Das Problem ist nur – manchmal sind wir verschiedener Meinung darüber, was das ist.«
Ich nickte verständnisvoll. »Da sind Sie nicht allein. Viele talentierte Kinder haben dieses Problem mit ihren Eltern.«
Jetzt hatte ich einen Nerv getroffen. »Ich bin nicht talentiert!«, sagte er laut und nachdrücklich. Doch sogleich war ihm das wieder peinlich. In milderem Ton wiederholte er: »Ich bin nicht besonders talentiert.«
»Das ist doch nichts Schlimmes, mein Junge. Ich wollte Ihnen damit keinen Stempel aufdrücken. Ich finde Sie einfach klug, witzig und sehr sportlich.«
»Oh«, sagte er nun, entspannte sich ein bisschen, und ein zartes Rot stieg ihm in die Wangen.
Wir hatten die Küche der Cafeteria erreicht, und ich öffnete die riesige Eismaschine. Eric setzte den Behälter ab und begann Eiswürfel hineinzuschaufeln.
»Ich habe Sie auf dem Platz beobachtet. Sie machen das wunderbar mit den anderen Spielern. Die können eine Menge von Ihnen lernen. Sie mögen und achten Sie.«
»Jetzt bestimmt nicht mehr«, sagte er hoffnungslos. »Keiner wird mehr mit mir reden. Sie geben mir die Schuld für meinen Vater.«
»Da irren Sie sich bestimmt. Es kann sein, dass ein oder zwei einen Tag lang dumm tun, aber die meisten stehen jetzt schon hundert Prozent auf Ihrer Seite. Sie wollen, dass Sie im Team bleiben und dass es Ihrem Vater auf keinen Fall gelingt, Sie gegen Ihren Willen von uns wegzuholen. Bedenken Sie auch, dass es kaum jemanden gibt, dessen Eltern ihn nicht schon einmal vor seinen Freunden in eine peinliche Lage gebracht hätten.«
Jetzt lächelte er bereits ein wenig. »Aber nicht in dieser Lautstärke.«
»Kann sein«, gab ich zu, »doch alles ist relativ.«
Nun war unser Behälter voll, und ich schloss die Tür der Eismaschine. Eric war etwa so groß wie ich, seine hageren Schultern wirkten jedoch noch sehr knabenhaft. Ich bezweifelte, dass er jemals die massige Gestalt seines Vaters haben würde. Mich rührte, wie jung und verletzlich er war.
Irgendwie hatte ich Angst um diesen Jungen. »Eric, werden Sie großen Ärger haben, wenn Sie heute Abend nach Hause kommen?«
Er schaute ehrlich überrascht zu mir auf. »Überhaupt keinen. Mein Vater hat sich bis dahin wieder beruhigt. Er geht schnell in die Luft, aber das hält nicht lange an.« Er dachte einen Moment nach und fügte dann hinzu: »Vielleicht wird er versuchen, mir die Tennismannschaft auszureden.«
Er setzte den Deckel auf den Behälter und hob ihn ächzend an.
»Lassen Sie mich Ihnen doch helfen«, sagte ich.
»Nein, das schaffe ich schon allein.«
Wir machten uns auf den Rückweg. »Ich muss Sie noch etwas fragen, Eric, aber ich möchte nicht, dass Sie es falsch verstehen. Außerdem müssen Sie mir die Wahrheit sagen. Hat Ihr Vater Sie schon
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