Spiel um Macht und Liebe (German Edition)
ihr das nicht erzählen?“
Hilflos und wütend war er sich bewusst, dass sein Verhalten auch nicht ganz einwandfrei gewesen war. Wieder einmal versuchte er zu begreifen, wie schnell und mühelos die Frau, die er zu lieben glaubte, verschwunden war. Er fühlte sich unfähig, Lucy zum Zuhören zu bringen, und hielt es für klüger, dass er ging. Außerdem brauchte er Zeit zum Nachdenken. Er wollte sich selbst verstehen und das, was geschehen war.
Während des Anziehens machte er noch einen letzten Versuch: „Dies ist immer noch mein Zuhause, Lucy, und ich beabsichtige, auch weiter hier zu wohnen.“
„Dann weigert sie sich also, Bett und Haus mit dir zu teilen, ja?“ Lucy sah ihn wütend an.
Er hörte, wie sie die Tür zum Schlafzimmer zuschlug, und sah sich erschöpft in dem Zimmer um. Nie hätte er gedacht, dass sie solchen Kummer und so eine schmerzhafte Schuld für Nicholas’ Tod empfand. Und er hatte auch nicht gewusst, wie viel es ihr bedeutete, dass er in den letzten Stunden bei seinem Sohn gewesen war. Die Ärzte hatten ihm geraten, das Thema nicht zu erwähnen, bevor sie es nicht tat, und dennoch hatte sie in seinem Armen unter Tränen gesagt, wie sehr sie sich gewünscht hatte, dass er von ihrem Baby sprechen würde. Sie hatte mit ihm reden und die Erinnerung an Nicholas wachhalten wollen.
Es tat ihm weh, dass er von diesen Dingen nichts gewusst hatte. Und er fühlte sich schuldig bei der Erinnerung daran, wie er in sie eingedrungen war und mit ihr geschlafen hatte.
Davina. Sie konnte er sich in so einer sexuellen Situation nicht vorstellen. Mit Davina würde Sex ruhig, zurückhaltend und nachts im Schlafzimmer geschehen. Unauffällig, beherrscht und sehr zärtlich. Es würde in ihm nicht dieses heiße, ungestüme Brennen entfachen, das er hier mit Lucy erlebt hatte. Er müsste sich nicht hinterher Vorwürfe machen und sich fragen, ob er sich überhaupt noch wie ein zivilisierter Mensch verhalten konnte.
Müde zog er sein Jackett über. Wie sollte er nach dem, was er hier getan hatte, noch Davina gegenübertreten? Würde er überhaupt wieder in einen Spiegel sehen können?
Er ging in den Flur und blieb einen Augenblick am Fuß der Treppe stehen. Er konnte nicht anders als sich vorstellen, wie er Lucy in dem Schaukelstuhl vorgefunden hatte. In dem Zimmer, in dem ihr Sohn hätte aufwachsen sollen.
Seine Gedanken und Gefühle, seine Bedürfnisse verwirrten und verunsicherten ihn. Vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden hatte er Davina gesagt, dass seine Ehe beendet sei und weder gerettet noch wiedererweckt werden könne. Und trotzdem hatte er mit Lucy geschlafen und sie begehrt. Er hatte sich nach ihr gesehnt, und im Kummer um ihren Sohn hatte er sich mit ihr verbunden gefühlt.
Waren das die letzten sterbenden Reste seiner Liebe zu ihr? Oder was sonst? Wurde er verrückt, und verwandelte er sich in zwei verschiedene Männer, die zwei unterschiedliche und völlig verschiedene Frauen liebten?
Sein Kopf schmerzte, und seine Gedanken drehten sich wirr im Kreis. Letzte Nacht war er in das Motel gefahren und fest davon überzeugt gewesen, Davina zu lieben und zu begehren.
Und jetzt …
Wieso war ihm nicht früher klar geworden, wie Lucy über Nicholas’ Tod dachte? Wieso hatte er es nicht erkannt oder geahnt? Und weshalb war es ihr nicht möglich gewesen, mit ihm darüber zusprechen?
Hatte er tatsächlich so versagt? Und wenn ja, besaß er dann das Recht, von einer anderen Frau zu verlangen, dasselbe Risiko einzugehen?
Ich brauche Zeit, entschied er müde. Ich muss meine Gedanken und Gefühle in aller Ruhe sortieren. Doch blieb ihm dafür Zeit, wenn ihn die Schwierigkeiten der Firma so in Anspruch nahmen?
17. KAPITEL
Saul und Cathy holten Christie vom Flughafen ab. Saul bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte, aber er wartete, bis Cathy im Bett war, bevor er etwas sagte.
„Möchtest du darüber reden?“, fragte er und ging in die Küche, während sie ihnen beiden einen Tee kochte.
Schlagartig baute sie den Schutzwall um sich herum wieder auf und stellte sich gerade hin, wobei sie so tat, als sei sie sehr beschäftigt. „Über was reden?“, fragte sie möglichst beiläufig.
„Über das, was dich so aufregt“, erwiderte Saul. „Komm schon, Christie, ich bin’s“, erinnerte er sie, umfasste ihre Schultern und drehte sie zu sich herum. „Und du konntest deine Gefühle noch nie gut verstecken. Irgendetwas ist doch in Edinburgh passiert.“
„Ganz im Gegenteil“, entgegnete sie
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