Spiel um Macht und Liebe (German Edition)
sie lästern und lachen konnten.
Und was war mit Wilhelms Söhnen? Leos Neffen? Er hatte ihnen nie so nahegestanden, wie er es sich gewünscht hätte, und dieses Wissen vertiefte noch seinen entschlossenen Gesichtsausdruck. Das war sein Fehler. Er hätte stärker versuchen können, mehr Zeit mit ihnen zu verbringen. Die Tatsache, dass Wilhelm nur sein Halbbruder war, verringerte nicht das Gefühl der Verantwortung seinen Neffen gegenüber.
Aber wenigstens wurde ihnen eine Last erspart, die er seinen eigenen Kindern nicht nehmen konnte, sollte er jemals Kinder bekommen.
Wilhelms Söhne konnten nicht das Erbe von Leos Vater in sich tragen.
Kinder. In Gedanken versunken trat er aus dem Fahrstuhl und ging zu seiner privatenBürosuite. In der heutigen Welt war er sich nicht einmal sicher, ob er überhaupt Kinder bekommen wollte. Aber mit einer Frau, die er liebte, das Wissen zu teilen, dass aus ihrer Liebe ein Kind entstanden war, das war etwas anderes. Etwas so Persönliches und so Tiefgreifendes ließ ihn innerlich erschauern.
Die Empfängnis, das Wissen, dass zwei Menschen gemeinsam den Funken für ein neues Leben schufen, war so bewundernswert und wertvoll, dass es über alles andere im Leben hinausging. Es umfasste alles, was den Menschen dazu brachte, an einen Gott zu glauben, egal, wie spöttisch die Wissenschaften sich dazu äußerten, die davor warnten, in dieser Richtung weiterzudenken.
Seine Sekretärin beobachtete ihn, als er durch ihr Büro ging. Sie war eine attraktive, verheiratete Mutter von drei Kindern.
Herzlich lächelte er ihr zu und ging in sein eigenes Büro. Natürlich wusste sie von diesem Artikel, und Leo bezweifelte, dass irgendjemand in dem Konzern mittlerweile noch nicht davon gehört hatte.
Eine Stunde nachdem er sein Büro betreten hatte, hatten bereits fünf Vorstandsmitglieder angerufen, von denen zwei ihm ihr Mitgefühl und ihre Unterstützung versicherten, zwei zu wissen verlangten, was vor sich gehe, und einer feststellte, dass Wilhelm wegen der Schande, die er über die Firma gebracht hatte, eigentlich erschossen werden müsse.
Seltsamerweise bedrückten Leo die Anrufe der beiden Mitglieder, die ihm ihre Unterstützung versichert hatten, am meisten. Schließlich hatte er noch nicht um diese Unterstützung gebeten, und vielleicht hätte er sich in seiner Position sicher genug geglaubt, um überhaupt jemanden um Hilfe zu bitten. Gemäß dem Testament seines Vaters konnte ihm die Leitung nur unter sehr abwegigen Umständen entzogen werden, und auf gar keinen Fall konnte er abgewählt werden, genauso wenig, wie Wilhelm wieder als Vorsitzender gewählt werden konnte.
Damit stellte sich ihm die Frage: Wieso hielt jemand es für nötig, ihm seine Unterstützung anzubieten?
Bis zur Mittagszeit hatte er viermal versucht, mit Wilhelm zu sprechen, und jedes Mal war er von Wilhelms Sekretärin abgewiesen worden, die sich dabei immer unbehaglicher gefühlt hatte.
Selbstverständlich brauchte er nur den Gang entlangzugehen, um zu Wilhelms Büro zu gelangen, und könnte die Aufmerksamkeit seines Bruders einfordern, aber da er vermutete, dass Wilhelm ihn nur dazu bringen wollte, so selbstherrlich aufzutreten, bedankte er sich nur höflich bei Wilhelms Sekretärin und legte den Hörer auf.
Irgendwann würde Wilhelm mit ihm sprechen müssen. Und dann wird es zu meinen Bedingungen geschehen und nicht zu seinen, entschied Leo.
In der Zwischenzeit hatte er andere Dinge zu erledigen. Die Haie von der Wirtschaftspresse umkreisten ihn bereits, noch nicht sehr bedrohlich, aber sie hatten bereits Blut gerochen. Auf die telefonischen Anfragen der Reporter und auch der anderen Vorstandsmitglieder war Leo vorbereitet, aber der Anruf, den er nachmittags von seiner Schwägerin erhielt, kam völlig überraschend.
Sie klang bemerkenswert ruhig. Fast zu gelassen. Leo hörte ihr sehr aufmerksam zu. Sie sagte ihm, dass sie ihn gern sehen wolle, und zwar so bald wie möglich.
„Ja, natürlich“, stimmte Leo zu. Wenn sie allerdings von ihm erwarte, dass er den Schaden wiedergutmache und Wilhelm in einen treuen Ehemann verwandele, dann würde er sie enttäuschen müssen. Und das musste ihr auch klar sein, doch er mochte sie, und so behielt er seine Gedanken für sich. Stattdessen sagte er, dass er so bald wie möglich zu ihr kommen würde.
Er hatte immer noch nicht mit Wilhelm gesprochen. Leo kannte seinen Bruder gut genug, um zu wissen, dass Wilhelm mittlerweile sehnsüchtig auf den Streit wartete, den er
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