Spiel um Macht und Liebe (German Edition)
könne. Giles sagte ihr, dass die Ärzte recht hätten und sie sich erst selbst wieder erholen müsse. Lucy wandte sich ab und weigerte sich, mit ihm zu sprechen.
Die Kluft zwischen ihnen hatte sich durch Nicholas’ Frühgeburt anscheinend noch vertieft.
Ohne dass Lucy es wusste, gab Giles sich die Schuld daran, nicht bei ihr gewesen zu sein, als die Wehen eingesetzt hatten. Irgendwie war er davon überzeugt, dass alles anders gekommen wäre, wenn er zu Hause gewesen wäre.
Bei seiner Ankunft im Krankenhaus hatte Lucys Anblick ihn geschockt. Da hatte er so wahnsinnige Angst empfunden, sie zu verlieren, dass er für einen Moment tatsächlich ihr Kind vergessen hatte.
Ihrer beider Kind. Beim Gedanken an Nicholas brannte sein Herz vor Liebe. Diese Liebe konnteer nicht in Worte fassen, schon gar nicht Lucy gegenüber.
Nicholas’ Geburt hatte sie völlig verändert. Aus dem Mädchen, das sich über seine Schwangerschaft so lebhaft aufgeregt hatte, war eine traurige, verletzte Frau geworden, die kaum zu bemerken schien, dass es außer ihrem Kind noch andere Menschen gab. Von Giles hatte sie sich anscheinend ganz zurückgezogen. Als er sie berührte, zuckte sie vor ihm zurück. In ihrem Blick erkannte er die Wut und Verbitterung.
„Bitte, Giles. Ich muss bei ihm sein. Ich muss.“
Sie sprach immer lauter und wurde von Panik erfasst, während sie gegen ihre körperliche Schwäche ankämpfte und es nicht schaffte, aufzustehen und zu ihrem Kind zu gehen.
Tränen standen ihr in den Augen. Sie wollte nicht weinen, sondern schreien und ihre Wut und Furcht herauslassen. Irgendjemandem musste sie begreiflich machen, dass sie zu ihrem Kind musste. Aber eine Schwester kam zu ihr gelaufen, fasste sie am Arm und sagte ihr eindringlich, sie solle sich nicht aufregen.
Lucy kämpfte gegen die Wirkung des Beruhigungsmittels an, das sie ihr gaben, und zwang sich, die Augen offen zu halten. Verzweifelt blickte sie Giles an, bevor sie den Kampf gegen die Müdigkeit verlor.
Stunden später wachte sie plötzlich mit wild klopfendem Herzen auf. Ihr Mund war ausgedörrt. Es war kurz nach zwei, und sie wusste sofort, weshalb sie aufgewacht war.
Die Tür zur Station ging auf, und eine Krankenschwester kam herein und ging zu dem kleinen, durch einen Vorhang abgetrennten Bereich am Ende des Gangs. Lucy wollte weinen, aber sie konnte nicht. Der Schmerz war zu groß für sie.
Giles. Wo war Giles bloß? Wieso war er nicht bei ihr? War ihm das alles egal?
Vor der Säuglingsstation lehnte Giles sich auf dem Stuhl zurück und blinzelte rasch mit den Augen. Er konnte nicht fassen, dass alles vorüber war. Man hatte ihm gesagt, er solle nach Hause gehen, nachdem Lucy das Beruhigungsmittel bekommen hatte. Aber er sah in Gedanken noch ihren flehenden Blick, weil sie bei Nicholas sein wollte.
Hatte sie es geahnt? Er erzitterte unter dem Gefühl, schuldig zu sein und versagt zu haben. Dazu kam das Gefühl des Verlusts. Lucys und sein Kind, ihr Sohn. Gerade geboren und jetzt tot. Er blieb, bis eine Ärztin höflich darauf bestand, dass er gehen musste. Er solle nach Hause gehen und sich erholen, weil Lucy ihn brauchen werde, sobald sie aufwachte und die Nachricht erfuhr.
Giles wollte ihr sagen, wie sehr er sein Kind halten wolle. Er wollte ihn aus dieser Wiege aus Plastik und Metall holen. Schließlich konnten sie jetzt nichts mehr für ihn tun. Er wollte den Körper seines Sohns spüren, seine Haut fühlen. In all die Liebe, die er für ihn empfand, wollte er ihn einhüllen, aber er fand nicht die richtigen Worte. Also nickte er nur stumm und stolperte aus dem Krankenhaus in die kalte Luft des frühen Sommermorgens.
Man hatte ihm gesagt, dass Lucy nicht vor neun Uhr geweckt werde. Das ließ ihm die Zeit, sich noch etwas auszuruhen und wieder zurückzufahren, um bei ihr zu sein.
Es war weder seine Schuld noch die des Personals, dass Lucy nicht geweckt zu werden brauchte.
Sie wartete ab, bis die Schwestern der nächsten Schicht kamen. Jetzt wurde sie von einer Schwesternschülerin betreut. Es gab auf der Station viel zu tun, und so fiel es Lucy leicht, das Mädchen davon zu überzeugen, dass sie auch ohne Hilfe ins Bad gehen konnte.
Bis zur Säuglingsstation brauchte sie viel Zeit. Noch immer war sie sehr schwach. Niemand hatte ihr gesagt, wie viel Blut sie verloren hatte und in welcher Gefahr sie gewesen war. Deshalb nahm Lucy an, dass das Beruhigungsmittel daran schuld war, dass sie sich so unsicher fühlte.
Die Schwestern der
Weitere Kostenlose Bücher