Spiel um Macht und Liebe (German Edition)
eine Karte und eine Wegbeschreibung hervorholte.
Auf dem Weg zu seiner Schwester kam er buchstäblich an der Firma vorbei. Es war bereits nach neun Uhr und schon fast dunkel. Genau der richtige Zeitpunkt, um sich unauffällig ein wenig umzusehen.
Schon seit Langem gab es bei Carey’s keinen Bedarf nach Schichtarbeit mehr. Laut dem Bericht gab es auch keinen offiziellen Nachtwächter. Wozu auch? Bei Carey’s gab es kaum noch etwas zu stehlen. Dafür hatte Gregory James gesorgt.
Den Weg fand Saul sehr schnell. Es war eine holprige unasphaltierte Straße, und im Strahl der Scheinwerfer konnte er das Schild „Spaziergänger hier entlang“ sehen. Er hatte vergessen, dass das Gelände durch einen öffentlichen Weg zweigeteilt wurde.
Das gefiel Sir Alex sicher nicht. Jedenfalls würde es ihn stören, wenn er die Firma tatsächlich aufrechterhalten und nicht nur dafür benutzen würde, um an die Unterstützungen der Regierung zu kommen.
Saul konnte die Absicht hinter den Plänen der Regierung erkennen. Auf diese Weise unterstützten sie die Erforschung neuer Medikamente und sorgten gleichzeitig dafür, dass die erfolgreichen darunter für das öffentliche Gesundheitswesen so billig wie möglich zu bekommen waren. Doch wie viele Menschen mochten wie Sir Alex darin nur eine Möglichkeit sehen, für sich persönlich Geld daraus zu schlagen?
Was konnte ihn das stören? Das war eher Christies Gebiet als seines. Sie war die Hüterin derMoral in der Familie, nicht er.
Ich muss aufpassen, was ich ihr erzähle, stellte er erschöpft fest, als er den Wagen abstellte. Er fand es seltsam, dass ihm die Aufgabe, die vor ihm lag, immer mehr missfiel.
Aber was blieb ihm anderes übrig? Er konnte seinen Job aufgeben. Dann würde er nie wieder einen anderen bekommen. Dafür würde Sir Alex sorgen. Er hatte eine Exfrau und zwei Kinder. Da konnte er sich keine Gewissensbisse leisten.
Aber konnte er sie einfach so beiseiteschieben? Sollte er so weiterleben, während er sich selbst immer mehr verabscheute und sich innerlich zerfraß?
Als er ausstieg, hörte er eine Eule schreien. Über sich sah er kleine Fledermäuse um das obere Stockwerk der alten Kornmühle herumsausen.
Einen Moment blieb er stehen, um ihnen zuzusehen. Als Junge hatte er im Sumpfgebiet gelebt, wo sich zu jener Zeit ein Kind noch nach Herzenslust draußen austoben konnte. In seiner Fantasie hatte er sich ausgemalt, wie er mit den fahrenden Händlern durch die geheimen Moore zog und den Steuereintreibern immer wieder entkam, die hinter ihnen her waren. Als er älter war, hatte er endlose Stunden mit seinem Vater zusammen die Tiere beobachtet.
Er spürte einen tiefen Schmerz. Wie sehr hatte er seinen Vater geliebt! Er hatte ihm Freude bereiten und ihn für alles entschädigen wollen, was er in seinem eigenen Leben vermisst hatte. Den Erfolg, nach dem er sich so gesehnt hatte. Aber sein Vater war schon seit fast zehn Jahren tot, und es gab niemanden, dem er ein Geschenk damit machte, dass er die Ziele seines Vaters erreicht hatte.
Ein tiefes Gefühl der Bedrücktheit und Einsamkeit überkam ihn. Diese Art zu leben hatte er satt, der kühle Alltag verspottete den Glanz des Traums, den Saul sich hatte erfüllen wollen. Am meisten jedoch war er sich selbst leid. Mit dieser Erkenntnis drehte er sich um und ging zu den Firmengebäuden.
Davina seufzte auf, als sie die Tür ihres Büros schloss. Die Beleuchtung des Gangs war ausgeschaltet, aber sie kannte ihren Weg ausreichend, und von draußen gelangte noch gerade genug Licht herein.
Es war ein langer Tag gewesen. Am Morgen hatte sie eine Abordnung der gewerkschaftlichen Vertrauensleute empfangen, die sich nach der weiteren Zukunft der Firma erkundigten.
So ehrlich wie möglich hatte sie ihnen geantwortet, und in ihren Augen hatte sie die Angst erkannt, als sie auf die Fragen hin zugab, dass die Firma möglicherweise geschlossen werden müsse. Sie sagte den Leuten, dass sie darauf hoffe, einen Käufer zu finden.
„Wer sollte so ein Unternehmen kaufen wollen?“, fragte einer der Leute verbittert. „Wir arbeiten unter unhaltbaren Bedingungen.“
Bei seinem anklagenden Tonfall errötete Davina. Sie konnte das nicht widerlegen. Von den Arbeitsbedingungen war sie selbst zutiefst entsetzt gewesen.
„Es tut mir leid, aber ich habe nicht das Geld für neue Ausstattung“, sagte sie ihnen, doch beim Gedanken an das Geld, das Gregory verspielt hatte, versagte ihr die Stimme.
Sie war die Tochter eines reichen Mannes,
Weitere Kostenlose Bücher