Spiel um Macht und Liebe (German Edition)
paar Jahren würde Sir Alex sich zurückziehen, und Saul würde seinen Platz übernehmen. Darauf hatte er hingearbeitet, das hatte er seinem Vater versprochen.
Aber war es auch das, was er selbst wollte? Er unterdrückte einen Fluch. Wieso um alles in der Welt bekam er ausgerechnet jetzt einen Anfall von Sinnkrise in seinem Leben?
Saul ging die Straße entlang, mischte sich unter Leute, ohne ein Teil der Menge zu werden oder in der Menge unterzugehen. Zu dieser Sorte Mensch gehörte er nicht. Seine Umwelt, seine Partner und Kollegen beneideten ihn, das wusste er. Und wieso auch nicht? Er wurde in der Presse gelobt, sein Sachverstand und seine Einfalle wurden bewundert. In den Jahren, die er jetzt für Sir Alex arbeitete, hatte er die Gesellschaft an die Spitze der Konkurrenz geführt.
Während Sir Alex der Unternehmer vom alten Stil war, fast eine Art Pirat, war Saul der Vermittler, der Mann, der durch sein Verhandlungsgeschick aus Sir Alex’ Firma das gemacht hatte, was sie heute war.
Durch Saul war das Wachstum des Unternehmens geplant und kontrolliert worden. Als das Land wirtschaftlich einen Abschwung erlebte, war Saul darauf vorbereitet gewesen. Er hatte nach vorn gesehen, und welche Richtung er auch einschlug, die anderen folgten ihm.
Er war ein Pionier, der bewundert und beneidet wurde. Und jetzt warf er buchstäblich alles weg, brach seine eigenen Grundsätze, die er von seinem Vater übernommen hatte.
Den Grund, aus dem heraus er Dan Harper gewarnt hatte, dass Sir Alex ihn aufkaufen wolle, konnte er sich selbst nicht erklären. Sie waren Freunde, das stimmte, doch nicht sehr enge. Saul ließ es nicht zu, dass irgendjemand nahe an ihn herankam. Nicht mehr.
Weder Männer noch Frauen. Seit dem Scheitern seiner Ehe hatte es Frauen gegeben. Unauffällige kontrollierte Affären, die keinem wehtaten. Und keinesfalls hatte er eine Beziehung mit Dans Frau gehabt, egal, was Sir Alex gesagt hatte.
Im Moment gab es niemanden, aber er hatte die Fähigkeit, Sex aus seinem Leben zu streichen, wenn es ihm notwendig erschien. Er hatte sich nie von seinem Trieb mitreißen, geschweige denn, überwältigen lassen.
Manchmal, wenn er sah, wie ein Konkurrent gierig das Essen herunterschlang, für das Saul bezahlte, und die Vorteile auskostete, die die Verbindung mit Saul ihm einbrachte, dann verspürte Saul eine Art Abscheu über diese Gier, diese übermäßige Verschwendung, wenn so viele andere zu wenig hatten.
Das ist das schottische Blut in mir, sagte er sich. All die Jahre der religiösen Entsagung und des strengen moralischen Lebens.
Sir Alex testete ihn, das wusste Saul. Manchmal war es lächerlich einfach, seinen Chef zu durchschauen, selbst wenn Sir Alex sich wie ein Meister der Verstellung vorkam.
Normalerweise hätte er niemals Saul mit so einer alltäglichen Aufgabe betraut. Dafür gab es Agenten, die angestellt wurden, damit der Name der Firma nicht bekannt wurde, solange der Kauf noch nicht ausgehandelt war.
Sein Magen verkrampfte sich. Er war jetzt vierzig und körperlich gesünder als viele Männer mit fünfundzwanzig. Kein graues Haar wuchs auf seinem Kopf, und dennoch kam er sich manchmal unglaublich alt vor. Geschieden, irgendwie vom wirklichen Leben getrennt, ganz allein und vom Rest der Menschheit entfremdet.
Es gab andere Zeiten, da wurde er wütend, als habe man ihn um irgendetwas betrogen, obwohl er nicht hätte sagen können, was ihm fehlte.
Aus welchem Grund hatte er Dan vor der Übernahme gewarnt? Wieso war es ihm so verabscheuungswürdig vorgekommen, diese kleine altmodische Gesellschaft zu zerstören, die sich seit fünf Generationen im Familienbesitz befand? Schließlich hatte er dasselbe auch vorher schon ohne Gewissensbisse getan. Warum also gerade jetzt, wo Sir Alex ihm praktisch versprochen hatte, dass er sich bald zurückziehen und Saul zu seinem Nachfolger erklären würde?
Er konnte den Boden noch wiedergewinnen, den er verloren hatte. Das hatte er aus Sir Alex’ Rede herausgehört.
Weswegen bloß hatte er diesen unbändigen Drang verspürt, sich umzudrehen und nichts mehr mit Sir Alex und seiner eigenen Zukunft zu tun zu haben?
Tief in ihm steckte eine rasende Wut, das erkannte er jetzt, und damit verbunden war die Angst,dass diese Wut stärker als seine Selbstbeherrschung war. Auf seine Beherrschung war Saul stolz. Sie war immer seine stärkste Waffe gewesen, doch jetzt drohte sie ihn zu verlassen.
Cheshire. Was für ein seltsames Spiel spielte Sir Alex, indem er ihn
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