Spiel unter Freunden
Hollow spielte, den
Yuppie-Typen im Polohemd und die unglaublich dicke Frau, die
nichtsdestotrotz Magozzis Herz ein wenig schneller schlagen
ließ.
«Harley, wirf
mal Maschine zwei an», forderte Grace den Muskelprotz mit
Pferdeschwanz auf. «Meine Herren?» Magozzi und Gino
gesellten sich zu ihr hinter den Stuhl des Mannes. Sie hatten das
Gefühl, sich an den Stamm eines Mammutbaums zu schmiegen. Die
restlichen Personen im Raum hielten Distanz und schwiegen, was
Magozzi nur recht war.
«Was kriegen wir
denn zu sehen?» Er runzelte die Stirn und schaute über
die massige Schulter des Mannes hinweg auf den Monitor.
«Nur
Geduld», sagte sie, und im nächsten Moment füllte
auch schon ein Foto den Bildschirm.
Magozzi und Gino
beugten sich weiter vor und blickten argwöhnisch auf die
Weitwinkelaufnahme vom Lakewood-Friedhof mit der Unbekannten, die
erst an diesem Morgen auf der Engelsstatue erschossen aufgefunden
worden war. Seltsam an dem Foto war, dass nirgends Cops zu sehen
waren, keine Neugierigen, kein Absperrband … nur die Leiche
und die Statue.
«Wer hat diese
Aufnahme gemacht?», fragte Gino.
«Das war
ich.» Der Mann namens Harley rollte mit seinem Stuhl zur
Seite, damit sie einen besseren Blick auf den Bildschirm hatten,
aber keiner der beiden Cops brauchte diesen besseren Blick. Sondern
sie machten beide einen Schritt rückwärts, ohne Harley
aus den Augen zu lassen.
«Sieht so aus,
als seien Sie früher dort angekommen als wir», sagte
Gino bedachtsam.
«Hat der Tatort
des Verbrechens von heute Morgen so ausgesehen?», fragte
Grace MacBride.
Magozzi beachtete sie
nicht. Es sah nicht aus wie der Tatort.
Es war der Tatort.
«Die Kids, die die Leiche gefunden haben, sagten, sie hatten
sie nicht verlassen, bevor die ersten alarmierten Beamten
eintrafen», sagte er und sah dabei immer noch Harley an.
«Sie hatten mit einem Handy 911 angerufen.
Was bedeutet, dass Sie
vor allen anderen dort gewesen sein müssen …
ausgenommen möglicherweise der Mörder.»
«Herrgott
nochmal», fluchte Harley leise. «Ich bin aber nicht Ihr
Mörder, und das da ist auch kein Tatort.»
«Wir waren dort,
Sir.» Ginos Stimme klang unwirsch. «Und offenkundig Sie
ebenfalls. Also, wann genau haben Sie dieses Foto gemacht?»
Harley warf die Arme in die Luft. «Mann, das weiß ich
nicht. Wann ist es gewesen, Roadrunner?» Magozzis Kopf fuhr
herum, als Ichabod Crane loslegte: «Vor zwei Wochen. Na ja,
ich kann mich nicht an das Datum entsinnen … oh, Moment mal.
Es war Columbus Day, erinnerst du dich, Harley? Du musstest mir
noch einen Zwanziger leihen, weil die Banken geschlossen hatten
»
«Moment»,
unterbrach Magozzi. «Mal langsam. Sie haben diese
Aufnahme vor
zwei Wochen gemacht?»
«Das glaube ich
nicht.» Gino betrachte nochmals das Bild und schüttelte
den Kopf.
«Wir waren alle
dort», sagte die schwergewichtige Frau.
«Vor zwei
Wochen. Alle außer Mitch.»
«Das
stimmt», sagte Grace.
«Ich wollte da
nicht mit hin», pflichtete der Yuppie ihr bei, «aber
ich erinnere mich noch, an welchem Abend es war
…»
«Also schön .»
Magozzi atmete durch, sah von einem zum anderen und ließ den
Blick schließlich auf Grace ruhen. «Dann mal raus mit
der Geschichte.»
«Es handelt sich
um ein gestelltes Foto.»
«Wie
bitte?» Gino verlor die Fassung und suchte jetzt
Streit.
«Es ist ein
Spiel, Schätzchen.» Die dicke Frau stand von ihrem Stuhl
auf und wandelte zu einer Kaffeemaschine, umflattert von gut
zwanzig Metern pfauenblauer Seide. Die beiden Detectives konnten
den Blick nicht von ihr lassen.
« Serial Killer
Detective ,
abgekürzt SKID. Unser neues Computerspiel.»
«Perfekt»,
grummelte Gino. «Ein Spiel, in dem es um Serienkiller geht.
Wie erhebend.»
«Schätzchen, wir
bedienen nur den Markt, schaffen tun wir ihn nicht», konterte
Annie schleppend. «Es ist ein Spiel wie Clue , nur mit mehr Toten, das ist
alles. Jedenfalls bringt der Spieler den Mörder zur Strecke,
indem er auf einer Reihe von Tatortfotos die richtigen Hinweise
findet. Das da ist Mord Nummer zwei. Sehen Sie genauer hin. Dort
oben auf dem Engel, das ist Roadrunner.» Magozzi und Gino
musterten die Bohnenstange im LycraOutfit und betrachteten dann
wieder das Bild auf dem Monitor.
Und beide sahen es
gleichzeitig, erkannten die Details, die ihnen beim ersten Ansehen
entgangen waren, weil sie so dicht am Gesamtbild gestanden hatten.
Das rote Kleid, das lange blonde Haar, die Pfennigabsätze
… alles, wie es sein sollte.
Aber ihre
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