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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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lassen. Ich schloss die Tür hinter mir, hob den Toilettendeckel an und pinkelte. Die Pisse war grüngelb und nicht dunkelgelb, wie sie es morgens manchmal war. Obwohl ich mir große Mühe gab, alle Tropfen in die Toilette fallen zu lassen, als ich mein Glied ausschüttelte, landeten ein paar auf dem Fußboden neben der Toilette, kleine durchsichtige Beulen aus Flüssigkeit auf blaugrauem Linoleum. Ich wischte sie mit einem Blatt Toilettenpapier fort, das ich vor dem Abziehen in die Toilettenschüssel warf. Während es neben mir rauschte, stellte ich mich ans Waschbecken. Das Wasser darin hatte eine leicht grünliche Farbe. Kleine, fast durchsichtige Flocken von etwas, was ich nicht genau definieren konnte, schwammen darin. Ich formte die Hände zu einer kleinen Schale, die ich mit Wasser füllte, lehnte den Kopf vor und tauchte ihn hinein. Das Wasser war einen Hauch kälter als ich. Als es meine Haut traf, lief mir ein Schauer über den Rücken. Ich seifte die Hände ein, schloss die Augen und rieb schnell mein Gesicht ein, spülte den Schaum ab und trocknete Hände und Gesicht mit dem gelbbraunen Frotteehandtuch ab, das an meinem Haken hing.
    Fertig!
    Ich zog die Vorhänge auf und schaute hinaus. Die Bäume im Wald, über deren Wipfel die Sonne gerade erst gestiegen war, warfen tiefe, dunkle Schatten auf den ansonsten sonnenglänzenden Asphalt. Dann zog ich mich an und ging in die Küche.
    Ein tiefer, mit Cornflakes gefüllter Teller stand neben einem Milchkarton an meinem Platz. Vater war nicht da.
    War er ins Arbeitszimmer gegangen, um seine Sachen zu packen?
    Nein. Ich hörte, dass er sich im Wohnzimmer bewegte.
    Ich setzte mich und goss Milch auf meine Flakes. Steckte den Löffel hinein und führte ihn zum Mund.
    Oh, verdammt.
    Die Milch war sauer, und ihr Geschmack, der die ganze Mundhöhle ausfüllte, ließ einen Brechreiz in mir aufsteigen. Trotzdem schluckte ich sie hinunter, denn im selben Moment näherte sich Vater. Er trat ein, ging quer durch die Küche zur Arbeitsfläche und lehnte sich gegen sie. Er sah mich an und lächelte. Ich schob den Löffel erneut in den Teller, führte ihn zum Mund. Schon bei dem Gedanken an den Geschmack, der mich erwartete, drehte sich mir der Magen um. Aber ich atmete durch den Mund und schluckte, ohne wirklich gekaut zu haben.
    Oh, mein Gott.
    Vater machte keine Anstalten, wieder zu gehen, und ich aß weiter. Wäre er in sein Arbeitszimmer gegangen, hätte ich die Cornflakes in den Müll werfen und unter anderem Müll verbergen können, aber solange er in der Küche oder in der oberen Etage blieb, hatte ich keine andere Wahl.
    Nach einer Weile drehte er sich um und öffnete die Schranktür, holte einen Teller von der gleichen Art heraus wie meiner, zog einen Löffel aus der Schublade und setzte sich mir gegenüber an den Tisch.
    Das tat er sonst nie.
    »Ich denke, ich esse auch ein paar Flakes«, bemerkte er, schüttelte die knusprigen, goldgelben Flocken aus dem Karton mit der Abbildung des grünen und roten Hahns und streckte sich nach der Milch.
    Ich hörte auf zu essen und wusste, dass die Sache geradewegs auf eine Katastrophe zusteuerte.
    Vater schob den Löffel in den Teller und hob ihn mit Milch und Cornflakes gefüllt zum Mund. Im nächsten Moment verzog sich sein Gesicht, und er spuckte ohne zu kauen alles in den Teller zurück.
    »Igitt!«, sagte er. »Die Milch ist ja sauer! Oh, verdammt!«
    Dann sah er mich an. Seinen Blick werde ich nie vergessen. Seine Augen waren nicht wütend, wie ich erwartet hatte, sondern erstaunt, als betrachtete er etwas, was ihm vollkommen unverständlich blieb. Ja, als sähe er mich zum allerersten Mal.
    »Du hast die Cornflakes mit saurer Milch gegessen?«, fragte er.
    Ich nickte.
    »Aber das geht doch nicht!«, rief er. »Du bekommst neue Milch!«
    Er stand auf, goss die saure Milch mit weit ausholenden, schüttelnden Armbewegungen in den Ausguss, spülte den Karton aus, presste ihn zusammen, legte ihn in den Mülleimer unter der Spüle und holte einen neuen Milchkarton aus dem Kühlschrank.
    »Gib her«, sagte er, nahm meinen Teller, goss den Inhalt in die Spüle, wischte den Teller mehrfach mit der Spülbürste ab, spülte ihn noch einmal ab und stellte ihn vor mir auf den Tisch.
    »So«, sagte er. »Jetzt bekommst du neue Cornflakes und neue Milch. Okay?«
    »Ja«, antwortete ich.
    Er machte mit seinem Teller das Gleiche, und anschließend aßen wir schweigend.
    Alles an der Schule war in diesen Tagen neu, aber jeder Tag hatte

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