Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
Vom Netzwerk:
nicht hübsch, hatte aber trotzdem etwas an sich, was einem ins Auge stach, so dass man sie einfach ansehen musste.
    »Guckst du meiner Mutter auf den Hintern?«, fragte John und lachte laut.
    Ich begriff nicht, was er meinte. Warum sollte ich seiner Mutter auf den Hintern sehen? Außerdem war es peinlich, denn er hatte es so laut gesagt, dass auch sie es gehört haben musste.
    »Stimmt doch überhaupt nicht!«, entgegnete ich.
    Er lachte noch mehr.
    »Mama!«, rief er. »Komm mal!«
    Sie kam, immer noch im Bikini.
    »Karl Ove hat dir auf den Hintern geguckt!«, verkündete er.
    Sie gab ihm eine Ohrfeige.
    John lachte weiter. Ich sah Geir an, er schaute ins Leere und flötete. Die Mutter verschwand im Haus. Ich leerte mein Glas in einem einzigen langen Zug.
    »Wollt ihr mal mein Zimmer sehen?«, fragte John.
    Wir nickten und begleiteten ihn durch das dunkle Wohnzimmer in sein Zimmer. An der einen Wand hing ein Poster von einem Motorrad und an der anderen eine fast nackte Frau, deren Haut von viel Sonne orange geworden war.
    »Das ist eine Kawasaki fünfundsiebzig«, sagte er. »Wollt ihr noch etwas Saft?«
    »Ich glaube nicht«, antwortete ich. »Ich muss jetzt nach Hause, zum Mittagessen.«
    »Ich auch«, sagte Geir.
    Als wir aus dem Haus traten, knurrte uns der Hund an. Schweigend gingen wir die Straße hinab. John winkte uns von der Veranda aus zu. Geir winkte zurück.
    Warum hätte ich Johns Mutter auf den Po schauen sollen? War da etwas mit Pos, was mir entgangen war? Warum rief er mir das zu? Warum sagte er ihr das? Warum schlug sie ihn? Und warum um Himmels willen lachte er hinterher weiter? Wie konnte man nur lachen, wenn man von seiner Mutter geschlagen worden war? Ja, wenn einen überhaupt irgendwer geschlagen hatte?
    Ich hatte seine Mutter angesehen und mich vage schuldig gefühlt, als ich es tat, weil sie fast nackt war, aber nicht ihren Po angeschaut, warum sollte ich?
    Es war das erste Mal, dass ich bei John zu Hause war, und dabei blieb es dann auch. Mit John spielten wir Fußball oder gingen wir schwimmen, aber er war niemand, den wir zu Hause besuchten. Wir hatten ein bisschen Angst vor ihm, denn obwohl wir behaupteten, er spiele nur den harten Bur schen, er sei eigentlich gar kein so harter Bursche, wussten wir doch alle, dass er wirklich einer war. Er suchte den Kontakt zu Jungen in den höheren Klassen, beteiligte sich als Einziger von uns an Prügeleien und war der Einzige, der den Lehrern manchmal Widerworte gab und sich weigerte zu tun, was sie sagten. Morgens war er immer müde, weil er so lange aufbleiben durfte, wie er wollte, und wenn er in den Stunden von zu Hause erzählte, wie wir alle es taten, gab es immer irgendeinen Onkel, der gerade bei ihnen wohnte. Weder er noch wir stellten Fragen zum Status dieser Männer, und warum sollten wir auch? John hatte eben mehr Onkel als alle anderen, die wir kannten, und damit hatte sich die Sache für uns erledigt.
    Ein paar Tage später, an einem Samstag Anfang September, einem dieser frühen Herbsttage, in die sich der Sommer streckt, um sie ganz auszufüllen, und an denen die Erde staubig und warm ist, der Himmel dunkelblau leuchtet und die ersten gelben Blätter fast widernatürlich durch die Luft wirbeln, da der Wind immer noch so mild ist und auf allen Gesichtern, die man sieht, der Schweiß glänzt, drehten Geir und ich eine Runde durch die Siedlung. Jeder von uns hatte Brote und eine Flasche Saft dabei. Wir wollten einen Weg nehmen, von dem wir wussten, dass er am Ende der langen flachen Strecke links abging, und zwar ungefähr dort, wo der Weg zur Fina begann. Um dorthin zu gelangen, mussten wir das Grundstück eines Hauses überqueren, von dem wir lediglich wussten, dass der Besitzer wütend werden könnte, denn an einem Sonntag im Frühjahr hatten ein paar von uns am Ende seines Grundstückes auf einer Wiese Fußball gespielt, die auf der einen Seite von einer kleinen Felskuppe und auf der anderen von einem Bach begrenzt wurde, woraufhin er nach einer halben Stunde mit schnellen Schritten auf uns zugekommen war und uns schon beschimpft hatte, als er noch kaum zu hören gewesen war, wobei er uns gleichzeitig mit der geballten Faust drohte, so dass wir die Beine in die Hand nahmen. Diesmal wollten wir jedoch nicht Fußball spielen, diesmal wollten wir das Grundstück bloß überqueren, am Bach entlang und bis zu dem Pfad gehen, der eigentlich ein kleiner Weg war, der mit kleinen, flachen und größtenteils weißen Kieseln bestreut war. Dort

Weitere Kostenlose Bücher