Spielregeln im Job durchschauen
einen niedrigen Status. Außerdem wird der Aufstieg unwahrscheinlicher, da Ihnen so noch weniger Zeit bleibt, um einen mikropolitischen Blick zu entwickeln und Dinge zu tun, mit denen Sie sich strategisch gut für Ihren Aufstieg positionieren und ihn selbst befördern können.
Annalisa Casini, Sozialpsychologin an der Freien Universität Brüssel, führt die Hyperspezialisierung von Frauen als einen Faktor dafür an, in der eigenen Stelle unabkömmlich zu werden und schwerer an anderer Stelle einsetzbar zu sein. Sie spricht in Analogie zur »gläsernen Decke« vom »klebrigen Boden«.
Wichtige Rollen in der Dominanzhierarchie
Unter Männern ist unbewusst klar, dass es im Job-Spiel verschiedene Rollen gibt: den formalen Leiter, den informellen Leiter, den Experten oder denjenigen, der für die Klimapflege zuständig ist. Männer trachten danach, auf der Hierarchieleiter eine möglichst hohe Position als formeller oder informeller Leiter einzunehmen. Die Rolle des »fleißigen Lieschens« ist für sie kein Thema. Männer weisen kaum je darauf hin, wie hart und fleißig sie für etwas arbeiten mussten. Sie sprechen von Projekten, die sie geleitet haben, von Sachthemen, bei denen sie gut Bescheid wissen, oder vom letzten internationalen Kongress, auf den sie eingeladen waren.
Wenn Sie dagegen die Rolle des »fleißigen Lieschens« annehmen, dann vermitteln Sie, dass Sie damit zufrieden sind, sich abzurackern und keine weiteren Ziele zu haben. Eine Rolle, die in einer von Männern geprägten Arbeitswelt, in der die meisten weiterkommen wollen und in der sie andere respektieren, die das auch wollen, nicht sehr angesehen ist. Im Gegenteil, man ist froh, wenn eine solche Person im Team ist, der man immer noch etwas und noch etwas aufladen kann und die sich nicht oder nicht sehr wirkungsvoll dagegen wehrt. Das »fleißige Lieschen« läuft Gefahr, der »Depp vom Dienst« zu werden. Sie können es innerlich noch so sehr ablehnen, im Job eine strategische Rolle spielen zu wollen, und darauf pochen, dass Ihnen die Inhalte wichtig sind. Das ändert nichts daran, dass Sie immer eine Rolle spielen – und dann ist es eben die des »fleißigen Lieschens«. In dieser Rolle ist es aber sehr schwer, Inhalte voranzubringen.
Abschied vom Leistungsmythos
Natürlich sollen Sie sich auch in Zukunft für Ihren Job engagieren und vernünftige Arbeit leisten. Aber positionieren Sie sich als Macherin und sprechen Sie von Ihren Erfolgen und nicht davon, was Sie alles dafür leisten mussten. Machen Sie sich bewusst, dass es typisch »Frau« ist, auf fachliche Qualifikation, Leistung und viel, viel Arbeit zu setzen, und beachten Sie das Risiko, das darin steckt. Zum einen ist die Gefahr dabei, dass auf einer anderen Ebene die Rolle des »fleißigen Lieschens« der klassischen Hausfrauenrolle entspricht – bei der die Frau ständig arbeitet, immer etwas tut, sich immer um etwas zu kümmern hat. Außer in Lippenbekenntnissen und für die eigene Bequemlichkeit wird diese Rolle von Männern selten wirklich wertgeschätzt. Zum anderen laufen Sie als Frau am Arbeitsplatz in dieser Rolle Gefahr, noch zusätzliche Aufgaben aufgepackt zu bekommen – manchmal sogar die der eigenen Mitarbeiter.
Eine weibliche Führungskraft bei einem Weiterbildungsunternehmen fühlte sich immer verantwortlich, für ihre Mitarbeiter alles zu machen. Sie dachte, dass sei ihre Aufgabe. Erst ihre Mentorin brachte ihr bei, dass die Mitarbeiter mündige Menschen sind, die sie erst einmal fragen sollte: »Was möchtest du jetzt von mir?« Bei vielen Frauen ist das »Assistenzkraftsyndrom«, wie Wirtschaftspsychologe Wottawa es nennt, tief verankert. Sie folgen ihrer Gewohnheit, sich für andere Personen und für die Sache einzusetzen, und machen sich sofort an die Erledigung neuer Fleißaufgaben – ohne zu überlegen, ob sie sie überhaupt annehmen wollen oder nicht. Deshalb: Reagieren Sie nicht sofort, sondern trainieren Sie, in solchen Situationen innezuhalten und zu überlegen, was Sie konkret tun wollen.
Die IT-Spezialistin Lara Keitel, Abteilungsleiterin in einem internationalen Software-Unternehmen bekam ständig Anrufe von Kollegen aus der Vertriebsabteilung, die Telefonnummern brauchten, die sie nachschauen sollte. Das kostete sie zum einen viel Zeit und zum anderen hatte sie den Eindruck, in ihrer Position nicht respektiert zu werden – von den Kollegen nicht, aber auch nicht von ihrer eigenen Mitarbeiterin. Im Coaching setzte sie sich damit auseinander, welche
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