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Spieltrieb: Roman

Spieltrieb: Roman

Titel: Spieltrieb: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juli Zeh
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Bauch, Brust und Hals bis zum Kinn. Mit einer groben Bewegung riss er ihr das T-Shirt aus dem Bund der Hose und über den Kopf, sie hob willig die Arme wie ein kleines Kind. Darunter war sie nackt.
    Es klappte. Wegen der Brüste, aber auch, weil er sie mochte. Er küsste die Seiten ihres Brustkorbs bis unter die Achseln, küsste ihren Hals und zum ersten Mal ihren Mund. Ihre Lippen schmeckten salzig und appetitlich, mehr nach etwas Essbarem als nach Frau. Als seine Knie zu schmerzen begannen, hob er sie mit Schwung auf einen der mehrteiligen Kästen, fragte, ob es bequem sei, und erhielt keine Antwort. Zwischen den inneren Hautfalten ihres Geschlechts fand er eine Spur Feuchtigkeit und hätte gern gewusst, ob es eine Chance gab, dass sie unter ihm käme, vielleicht, wenn Alev nicht mit Geklapper und Getrampel um sie herumgerannt wäre, um seine Kamera neu aufzubauen.
    Gib mir deine Brust. Nein, beide Brüste. Spürst du mich, spürst du meinen Schwanz? Sag mir, dass es gut ist, sag mir, dass du das willst. - Ja.
    Zu seiner Frau hatte Smutek beim Sex nie ein Wort gesprochen, er hätte nicht gewagt, sie auch nur darum zu bitten, die Beine ein Stück weiter zu spreizen. Sie verständigten sich ohne Worte, durch den Druck ihrer Körper, durch ein Herumwälzen, ein Schieben, durch lautes Stöhnen, wenn etwas gut war, durch Schweigen, wenn es langweilig wurde. In etwa fünf Minuten würde er sich für seine Worte schämen wie ein Betrunkener am Morgen für sein besoffenes Gestammel bei Nacht. Er wurde schneller. Ada hielt die Augen geschlossen, so dass er sie ungestört betrachten konnte. Die Lippen standen halb offen, vielleicht ein Lächeln, vielleicht die Simulation eines Lächelns, verursacht durch die gespannte Haut über ihrem nach hinten gebogenen Hals. Ihr Gesicht war friedlich, gewiegt vom Rhythmus seiner Bewegungen, vielleicht dachte sie an etwas Angenehmes, ans Laufen bei schönem Wetter, an ein gutes Buch. Oder an Alev. Der nächste Stoß fiel härter aus, sie schien es kaum zu bemerken. Er kannte sie so wenig, er hatte keine Ahnung, was in ihr vorging, mit allen zehn Fingern befühlte er ihren Schädel, als ließen sich die Gedanken in Blindenschrift ertasten. Seine nächsten Worte waren ein tonloses Flüstern. Ich liebe dich. Mehr als meine Frau, die schöner ist als du. Ich liebe dich!
    Sicher hatte sie ihn gehört. Einen Moment gaben seine Knie nach, als wollte er auf den Kunststoffboden stürzen, an dem man sich Brandblasen anstelle von Schürfungen holte. Aber er blieb stehen, umfasste sie mit beiden Armen, hob sie auf seine Hüfte, drehte sich mit ihr um sich selbst, das Gesicht in ihren Haaren vergraben. Er trug sie aus Alevs Schusslinie zurück auf die Matte, legte sie vorsichtig ab und rutschte aus ihr heraus. Alev war zur Stelle mit einer Packung Tempos, fasste die Taschentücher an einem Zipfel und schüttelte sie in der Luft, um sie zu entfalten.
    Smutek sah es aus dem Augenwinkel, ein weißes Flattern, als winkte ihm jemand Lebewohl. Er säuberte sich, stieg in seine Hose und ging mit großen Schritten Richtung Toilette, wo er sich über ein Waschbecken beugte. In letzter Zeit wurde es zur Gewohnheit, sich ab und zu eine Hand voll Wasser ins Gesicht zu klatschen. Als er sich mit nassen Haaren aufrichtete, lehnte Ada im Türrahmen, ebenfalls wieder angezogen, in lässiger Haltung, einen Arm über dem Kopf.
    »Ist es wirklich so schlimm?«, fragte sie.
    Er hielt ihren Blick im Spiegel fest. Sie spürten beide, dass sich während der vergangenen fünfzehn Minuten etwas zwischen ihnen verändert hatte.
    »Du verstehst nicht«, sagte er und musste Luft durch den Hals pressen, um die Stimmbänder freizubekommen. »Ich bin nicht wie ihr.«
    »Wo liegt der Unterschied?«
    »Wahrscheinlich darin, dass ich etwas zu verlieren habe.«
    »Ach«, sagte sie, »einen Job? Eine Frau?«
    »Auch.« Smutek wurde ruhig. Das Gefühl, etwas Wahres sagen zu wollen, entspannte die Rückenmuskeln und dämpfte die Erinnerung an die soeben vergangene Szene. »Vor allem einen Glauben.«
    »An Gott?«
    »Nicht direkt. An mich selbst. An das Leben. Daran, dass es möglich ist, dich oder mich zu verletzen. Ihr hingegen glaubt nur, dass es nichts gibt, an das man glauben kann.«
    »Nicht einmal das«, sagte Ada. »Nietzsche ist tot. Seine Nachfolger sind tot. Die Stellvertreter seiner Nachfolger sind tot. Die Wiedererwecker der Stellvertreter sind tot.«
    »Der Einzige, der zur Zeit tot ist«, sagte Smutek, »ist Höfi.«
    »Du

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