Spieltrieb: Roman
Zigarette, die so perfekt geriet, als käme sie aus der Maschine.
Als sie kurz vor dem Klingeln ihre Schuhe holen und Stellung beziehen wollte, ging die Tür auf, und Höfis Gesicht erschien im Spalt. Noch nie hatte sie ihm aus solcher Nähe in die Augen gesehen. Er war genauso klein wie sie. Seine Augen waren gleichmäßig braun und erinnerten an die eines klugen und freundlichen Hundes.
»Das nächste Mal gehst du barfuß raus«, sagte er leise und zwinkerte, bevor er die Tür wieder schloss.
Ada zog die Schuhe an und hüpfte wie ein Kind die Treppe hinunter, immer beide Füße gleichzeitig auf einer Stufe, so dass Smutek, der seinen Unterricht vorzeitig beendet hatte und sich auf dem Weg nach oben befand, das Stampfen schon von weitem hörte. Als sie sich trafen, lächelte er ihr zu.
Teuter ließ ihn vor seinem Büro warten, bis nur noch zehn Minuten vor Beginn der nächsten Stunde übrig blieben. Kaum dass Smutek saß, holte er Luft und begann ein Plädoyer für Zweck und Nutzen einer freiwilligen Sportgruppe. Er verstieg sich in leuchtfarbenen Schilderungen der pädagogischen Möglichkeiten einer klassenübergreifenden Gemeinschaft, schilderte den möglichen Ruhm für Ernst-Bloch durch Erfolg bei Wettkämpfen und spürte deutlich, dass er demnächst von mens sana in corpore sano zu salbadern beginnen würde, wenn Teuter seine unbewegte Miene beibehielt, weiterhin unverschämt Richtung Tür sah und mit dem Ende des Füllfederhalters gegen die Schneidezähne klopfte. Endlich unterbrach ihn der Direktor, indem er das Handgelenk drehte und die Armbanduhr vors Gesicht hob.
Die Antwort war kurz gefasst. Er könne ihn nicht hindern, sein Anliegen bei nächster Gelegenheit auf der Lehrerkonferenz vorzutragen. Er weise jedoch darauf hin, dass es an der Schule neben dem Sportunterricht bereits einen Ruderverein, eine Tennisgruppe sowie Basketball-, Volleyball- und Badmintonkurse an den Nachmittagen gebe. Im Übrigen täten schlechte Schüler besser daran, ihre freie Zeit den Hausaufgaben zu widmen, während gute Schüler eher unsportlich seien. Er, Teuter, halte nichts von der Übertragung eines unbefriedigten sportlichen Ehrgeizes auf die potentielle Leistungsfähigkeit von Kindern.
Smuteks Einwände stoppte er mit einer herrischen Handbewegung, so dass dieser die eingeatmete Luft ungenutzt wieder aus den Lungen lassen musste. Teuter lächelte. Er hatte den irrwitzigen kleinen Rachefeldzug durchschaut und wusste, dass Smutek als Ein-Mann-Triumphzug sein Büro betreten hatte und es als Angestellter einer privatrechtlichen Einrichtung wieder verlassen würde. Dafür gab es Hierarchien. Dafür waren sie gut.
»Ja nee, was halten Sie übrigens vom Wahlergebnis?«, fragte er freundlich.
Smutek hob den Blick nicht, den er auf die eigenen Hände gesenkt hatte, als gäbe es dort etwas Interessantes zu sehen.
»Ich bin froh«, antwortete er schlicht.
»Mit Ihrer Herkunft würde mir das genauso gehen«, sagte Teuter. Und ab jetzt sei er beschäftigt. Raus.
Die Unverfrorenheit überraschte Smutek mehr, als dass sie ihn kränkte. Ein Drittel der Schüler auf Ernst-Bloch stammte aus osteuropäischen oder arabischen Ländern, und sie gehörten zu den am besten zahlenden Kunden. Teuter war kein Ausländerfeind. Er griff Smutek aus rein persönlichen Gründen an und genoss das Wissen, dass der andere das wusste. Smutek verließ das Büro und spürte die Niederlage wie eine ölige, übel riechende Flüssigkeit am ganzen Körper.
Massen von Schülern, die ins Gebäude drängten, strömten ihm entgegen, als er die Schule durch das Hauptportal verließ und um die Ecke bog, um über den Raucherhof zur Turnhalle zu gelangen. Fast hätte er Ada angerempelt, die allein dort stand. Einem abwegigen Impuls folgend fragte er sich, ob sie auf ihn gewartet habe. Als er vor ihr stand, reichte sie ihm kaum bis zur Brust.
»Die Gegenwart ist nichts als zukünftige Vergangenheit«, sagte sie und starrte dabei auf seinen Solarplexus. »Können Sie damit etwas anfangen?«
»Darüber muss ich nachdenken. Magst du Leichtathletik?«
»Ich laufe regelmäßig.«
»Das freut mich.«
Unauffällig streifte Smuteks Blick ihren Körper. Bislang hatte er nicht darüber nachgedacht, ob sich unter der weiten Jeanshose und dem formlosen Pullover Muskelpakete verbergen könnten und ob ihr abwesender Ausdruck vielleicht wie Sand sei, den ein Raubfisch sich zur Tarnung über den Kopf schaufelt.
»Und mit der Gegenwart«, sagte er, »muss man vorsichtig
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