Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall
Kollegin aus Dresden schien sich wieder beruhigt zu haben, registrierte Nachtigall erleichtert. Konflikte im Team konnten sie nicht brauchen.
»Das glaube ich nicht. Schaber war mehrfach in Deutschland. Zur Hochzeit seiner Schwester zum Beispiel. Das war kein Geheimnis. Warum also hat der Täter seine Chance damals nicht genutzt? Er konnte ja nicht sicher sein, eine zweite zu bekommen.«
»Tatsächlich?«, staunte Ankekatrin Kruse. »Davon wusste seine Mutter offenbar nichts.«
»Demnach gehst du davon aus, dass es einen Grund dafür gibt, dass die Morde jetzt stattfinden«, stellte Mangold nüchtern klar.
»Kann was ganz Banales gewesen sein«, warf Ankekatrin ein. »Vielleicht lag der Täter damals, als Schaber hier war, mit einer Grippe im Bett! Wie sollen wir das rausfinden?«
»Ich fürchte, so einfach ist die Sache nicht. Man musste Keiser aus der Kühltruhe holen, vorbereiten, ein Feld finden – und danach Schaber in Dresden abpassen. Da brauchte der Täter einen Plan mit genauen Abfolgen, sonst konnte er den gewünschten Effekt nicht erzielen«, hielt Wiener dagegen.
»Nur dass Schaber eben nicht das zweite, sondern das dritte Opfer sein soll. Wenn die Nachricht an uns wirklich stimmt, hat es dazwischen einen weiteren Mord gegeben«, rückte Nachtigall die Sachlage zurecht.
»Wenn ihm die Reihenfolge so wichtig war, warum fehlt dann das zweite Opfer?«, fragte Mangold.
»Vielleicht hat er einen Fehler gemacht. Während er die beiden anderen so ablegte, dass sie schnell gefunden werden mussten, hat er das zweite Opfer möglicherweise zu gut versteckt. Wäre es nicht denkbar, dass er es holt und einen neuen Fundort sucht, wenn es ihm zu lange dauert, bis es entdeckt wird?« Michael Wieners Augen loderten im Jagdeifer.
»Das stimmt allerdings nur, wenn er unser Denksystem teilt«, dämpfte Nachtigall die Begeisterung seines Partners. »Wir halten die Zahlen für eine Reihenfolge chronologischer Natur. Was, wenn sie für den Täter eine völlig andere Bedeutung haben? Nach Wichtigkeit, nach Schwere der Schuld, es könnte auch eine Art Punktesystem sein. Solange wir rein gar nichts über Täter und Motiv wissen, ist auch das offen!«
Mangold starrte Nachtigall sekundenlang an.
»Aber das könnte ja bedeuten, dass das zweite Opfer womöglich noch am Leben ist.«
Als Manuela nach diesem Wochenende ins Internat zurückfuhr, tat sie es nur, um ihre Sachen zu packen. Das Projekt Frauenfußball hatte sich erst mal erledigt. Eine vage Hoffnung blieb. Später vielleicht, in einem halben Jahr. Während der Fahrt lehnte sie den Kopf gegen die Scheibe, spürte das Ruckeln des Zuges und dachte darüber nach, wie es nun weitergehen würde. Die erste Hürde war genommen! Die Beichte abgelegt. Der Ärger eingesteckt. Die Diskussion geführt.
Sie wollte das Kind auf jeden Fall behalten. An dieser Entscheidung war nichts zu rütteln.
Genau das würde sie auch Andy wissen lassen, sollte er danach fragen. Doch Manuela ahnte schon, dass er eine solche Frage gar nicht stellen wollte. Es interessierte ihn nicht. Wahrscheinlich gäbe es nicht einmal mehr ein Treffen, bevor sie abreiste. Und mit ihrem Verschwinden wären auch alle Erinnerungen an sie bei Andy gelöscht. Nicht einen Gedanken würde er mehr an sie verschwenden.
Tränen purzelten über ihre Wangen. Ja, dachte sie böse, heul nur! Du hast es nicht anders verdient! Hättest dir ja einen Familienmenschen als Freund suchen können – aber nein, Andy musste es sein. Da sind Tränen genau richtig! Du dumme Gans! Doch die Selbstbeschimpfung zeigte kaum Wirkung.
Die Tränen liefen ungehindert weiter, ließen sich nicht stoppen. Egal.
Sollten die anderen ruhig denken, sie habe geheult, weil sie den Traum von Karriere und Ruhm so plötzlich aufgeben musste. Die Geschichte, die sie erzählen wollte, hatte sie sich in der letzten Nacht zurechtgelegt. Es sei eine schwere Entscheidung gewesen, würde sie erzählen, doch die Familie war wichtiger als jedes egoistische Ziel. Ihre Mutter sei schwer erkrankt, die Therapie langwierig und einer müsse sich ja um die Patientin und die beiden Männer kümmern.
Zufrieden rekapitulierte sie die geschmeidigen Formulierungen, die sie die halbe Nacht geübt hatte. Das Mitleid der anderen wäre ihr gewiss. Niemand käme auf die Wahrheit.
›Den Kerl lasse ich bluten!‹, hörte sie die Stimme ihrer Mutter in ihren Gedanken. ›Der wird den Rest seines Lebens dafür bezahlen!‹
Es hatte sie viel Kraft gekostet, die Mutter
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