Spielzeugsoldaten
Nachmittag als Raku endlich Zeit fand zu Juli zu gehen, um zu sehen, wie es ihr ging und ihr zu sagen, was weiter passieren würde. Die Besprechung der Offiziere war zäh gewesen, Oberst Seter hatte nichts anderes als eine n Sack Flöhe zu hüten, die alles andere als scharf darauf waren seinen Befehlen zu folgen. Der eine wollte die westliche Flanke verstärken und angreifen. Der andere wollte den mittleren Teil der Front ausbauen und vorstoßen, wieder ein anderer erwähnte die vermissten Truppen im Osten. Letztendlich war es darauf hinausgelaufen, dass Raku und ihre Spezialeinheit fünf Tage Zeit bekamen , um ein genaueres Bild der Frontlinie und der dort stationierten Truppen zu ermitteln. Bis dahin würden Positionen nur gehalten, nicht aber erweitert. Danach würde man weiter sehen. Raku hatte ihnen auf ihre direkte Art und Weise die Leviten gelesen und dafür gesorgt, dass man ihren Ratschlägen nach einer notwendigen, neuen taktischen Ausrichtung Folge leisten würde. Da sie aber die nächsten Tage mit ihrer Einheit wie angekündigt die Ruinen überprüfen würde und auch die in der Nähe befindlichen Einheiten kontrollieren würde, konnte sie nicht sicher sein, dass während ihrer Abwesenheit nicht wieder alles drunter und drüber ging. Sie hatte Einfluss, aber in diesem Fall eben keine Befehlsgewalt.
Sie klopfte und trat ein. Juli saß auf dem Bett und starrte vor sich hin.
Raku hielt ihr einen kleinen Karton entgegen.
„Ich dachte, du würdest vielleicht etwas essen wollen.“
Juli lächelte und nahm ihr den Karton ab. Drinnen war eine kleine Schale mit Deckel und Besteck. Sie legte es auf dem Schreibtisch neben dem Bett ab. Nicht, dass sie keinen Hunger gehabt hätte, aber ihr war nicht nach Essen. Ihr Magen rebellierte schon den ganzen Tag mit einer hartnäckigen Übelkeit.
„Danke.“
„Keine Ursache. Ich hoffe, du fühlst dich besser?“
Es war tatsächlich etwas über das sie nachgedacht hatte, besonders auf dem Weg von der Besprechung zum Hotel, denn sie hatte noch nicht entschieden, was sie mit Juli weiter tun würde. Sie mitnehmen? Tiefer ins Kriegsgebiet? Sie in Lyddit lassen bei einer Horde unfähiger Soldaten? Sie zurückschicken? Allein?
„Ja, ein wenig. Es ist alles ein bisschen viel für mich.“
„Ich hatte dich gewarnt“ , erwiderte Raku und bereute es sogleich . Unsensibel zu sein hatte ihr bisher immer Respekt verschafft, bei Juli jedoch befürchtete Raku, dass es genau den entgegen gesetzten Effekt haben würde und das war das L etzte was sie wollte.
Sie ahnte, dass Juli ihre Entscheidung vielleicht schon in Frage stellte und nur noch da war, weil es nicht ihre Ar t war aufzugeben. Juli hatte bisher nicht den Eindruck erweckt, dass eine noch so drastische Warnung sie von ihrem einmal gefassten Entschluss abbrachte.
„Es tut mir Leid“ , flüsterte Raku und senkte ihren Blick, so dass Juli ihr nicht in die Augen sehen konnte. Die Worte fielen ihr ungewöhnlich leicht.
Was tut sie? Was wird das hier? Juli fühlte sich überfordert. Sie konnte sich nicht gleichzeitig über den Krieg und eine widersprüchliche Soldatin Gedanken machen. Da war einfach kein Platz. Nach den Ereignissen in Rakus Stube hatte sie nicht damit gerechnet, dass Raku ihr mit gewohnter militärischer Kälte begegnete, doch sie hatte auch nicht erwartet, dass ihre Sorge und ihr Mitgefühl solch übermenschliche Züge annahm. Raku widersprach allem was sie gehört hatte. Aber was waren schon Gerüchte?
„Was? Wie bitte? Ich bin doch selbst Schuld. Ich hätte auf dich hören sollen. Aber ich konnte nicht. Ich habe noch nie auf andere gehört, sonst hätte ich mein Heimatdorf nie verlassen.“
Raku zuckte mit den Schultern. Lange Gespräche dieser Art strengten sie an. Sie wusste wohl, dass Juli Recht hatte, aber das änderte ja nichts.
„Das mag sein.“
„Ich habe nachgedacht“ , Juli richtete sich auf, „ich weiß nicht, was weiter passieren wird. Aber wahrscheinlich ist es besser, wenn ich euch nicht weiter begleite. Vielleicht kann ich mit einem der Versorgungslastwagen in einigen Tagen zurück ins Landesinnere. Ich ma che deiner Einheit nur Ärger und dich scheine ich auch abzulenken. Das kann einfach nicht gut sein. Ich gehöre hier nicht hin, ich hätte das wissen müssen.“
Julis Offenheit erstaunte Raku, das hatte sie nicht erwartet. Sie hatte Starrsinn erwartet. Für einen Augenblick überlegte sie, dann sah sie Juli an.
„Nein. Ich werde dich nicht hier zurücklassen. Die Lage
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