Spinnenkuss: Elemental Assassin 1 (German Edition)
Mitte und brachte so den chemischen Prozess des Materials in Gang, mit dem die Akkus gefüllt waren. Dann stopfte ich die sich erhitzenden Pads in die Taschen von Jacke und Jeans, außerdem zwischen Socken und Stiefel. Die alte blutverschmierte Kleidung landete im Müll. Es gab keinen Grund, sie zu verstecken. Es war eine alltägliche Garderobe, wie man sie in jedem Laden finden konnte. Und es war ja nicht so, als hätte ich meinen Namen eingestickt: Besitz von Gin Blanco .
Außerdem würde Donovan Caine, wenn er halbwegs clever war, jeden Laden, jede Tankstelle und jedes Taxiunternehmen im Umkreis von mehreren Kilometern überprüfen lassen. Früher oder später würde er auch das Material der Überwachungskamera des Supermarkts erhalten. Er würde erfahren, dass ich hierhergekommen war, um mich frisch zu machen.
Das war aber auch schon alles, was er dadurch erfahren konnte.
Ich riss die Plastikhülle um eines der Messer auf und testete die Schneide mit meinem Daumen. Nicht ganz so scharf, wie ich es mochte; die Klinge war nicht gut ausgewuchtet, und der Griff war so glitschig wie ein Haufen zerflossener Hundescheiße im Hochsommer. Aber das Messer würde seine Aufgabe erfüllen. Fast alles funktionierte, wenn man nur genügend Kraft in den Schlag legte. Ich schob zwei der Klingen in meine Jackenärmel. Eines wanderte in den Hosenbund an meinem Rücken, und zwei weitere schob ich in meine Stiefel, direkt neben die Handwärmer. Mein Fünferarsenal.
Brutus hatte bereits dafür bezahlt, dass er mich hintergangen hatte. Jetzt war der mysteriöse Auftraggeber dran und jeder, der sich zwischen mich und Fletcher oder Finnegan stellte. Ich hoffte, dass Donovan Caine und der Rest der Polizeitruppe gut mit Kaffee und Donuts ausgestattet waren und Überstunden genehmigt bekamen. Denn die Mordstatistik in Ashland würde heute Nacht explodieren – und zwar richtig.
In den Schatten versteckt starrte ich auf die Eingangstür des Pork Pit. Das Neon-Schwein leuchtete in der dunklen Nacht. Ein blutroter Schimmer schien seine pinkfarbenen Formen zu umspielen. Aber vielleicht bildete ich mir das nur ein, während ich mir vorstellte, was ich hinter der unschuldigen Fassade des Schnellrestaurants wohl vorfinden würde.
Ich kontrollierte meine Uhr. Es war nach zehn. Der missglückte Mordversuch in der Oper war mehr als zwei Stunden her. Ich kauerte hier seit drei Minuten, in der Hoffnung, ein Lebenszeichen aus dem Inneren zu empfangen. Nichts. Wieder rief ich mit dem Handy im Restaurant an, aber Fletcher ging nicht dran. Ich versuchte es auch noch einmal bei Finn. Keine Antwort.
Wahrscheinlich waren sie beide bereits tot.
Brutus’ Auftraggeber würde alles über mich erfahren wollen – wo ich hingehen konnte, was ich tun und mit wem ich reden würde. Fletcher und Finnegan konnten ihm diese Informationen geben. Zwei Stunden in den Händen des Feindes waren eine lange Zeit. Schon zwei Minuten reichten aus, um die meisten Menschen zu brechen. Selbst ohne Magie.
Am klügsten wäre es gewesen, einfach zu verschwinden. Mit den Schatten zu verschmelzen. So unterzutauchen, wie Fletcher es mir beigebracht hatte. So, wie wir es immer geplant hatten, für den Fall, dass etwas schiefging. Ich hatte für den Anfang genügend falsche Identitäten und Kreditkarten in meiner Weste und mehr als genug Geld auf verschiedenen Auslandskonten gebunkert, um den Rest meines Lebens in anonymem Luxus zu verbringen. Es war so einfach wie Kuchenessen.
Aber ich konnte es nicht. Ich konnte Fletcher und Finn nicht einfach so vergessen. Konnte mich nicht von ihnen abwenden. Konnte ihr Schicksal nicht ignorieren und einfach verschwinden, wie sie es wahrscheinlich gewollt hätten. Nicht, wenn es eine reelle Chance gab, einen oder beide zu retten. Ich schuldete es ihnen. Sie hatten mich von der Straße geholt, als ich nirgendwo anders mehr hingekonnt hatte. Ich verdankte ihnen alles. Und sie hätten dasselbe für mich getan. Vater und Sohn wären so schnell wie möglich zu meiner Hilfe geeilt, egal wie oft sie auch das Gegenteil beteuert hatten. Nein, ich konnte sie nicht im Stich lassen. Nicht heute und niemals sonst.
Außerdem hatte ich noch nie den einfachsten Weg gewählt. Einfach war nur etwas für Leute, die zu schwach waren, schwierige Situationen durchzustehen und zu tun, was eben getan werden musste.
Und ich war nicht schwach. Nicht mehr.
Ich näherte mich dem Pork Pit von hinten, huschte durch die Gasse, die hinter dem Gebäude entlangführte.
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