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Spion Für Deutschland

Spion Für Deutschland

Titel: Spion Für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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ausgelöscht.
    »Willst du nicht wissen, wer der andere war?« fragte sie.
    »Ich kann es mir denken.«
    »Es war Bob«, fuhr sie fort. »Er war so groß und so schlank wie du. Und er hatte auch deine blonden Haare . . . Ich wollte ihn heiraten. Ich kannte ihn schon drei Jahre. Er war Leutnant. Im vorigen Jahr haben wir noch zusammen Weihnachten gefeiert. Kannst du verstehen, daß ich nicht in meine Wohnung zurückgehen wol te? Daß ich nicht allein sein konnte?«
    Ich sagte nichts. Aber ich stand jetzt auch auf und ging im Zimmer hin und her.
    »Ich bin zu dumm«, sagte sie. »Ich verderbe uns die ganze Stimmung. Aber an einem Abend wie heute kommt einem al es hoch ... Im März ist er gefallen. Im Pazifik. Bei der Landung auf einer dieser verdammten Koralleninseln, die keinen Cent wert sind. Nachher hat er einen Orden bekommen.«
    »Hinterher bekommt man immer einen Orden«, erwiderte ich. »Es hat keinen Sinn, über das al es nachzugrübeln.«
    Sie lächelte mir zu. Ihre Augen glänzten. Sie ging auf den Christbaum zu und zündete die erste Kerze an. Joan drehte sich nach mir um und sagte:
    »Die zweite ist für dich.«
    »Zünde sie alle an«, entgegnete ich. »Ich glaube, daß sie dann heller leuchten.«
    »Du schmeichelst gut«, sagte sie, »und es tut mir wohl. Weißt du, ich habe mir den heutigen Abend so schlimm vorgestel t, und jetzt ist er doch ganz anders.
    Ich mache mir auf einmal Vorwürfe, daß ich alles so schnell vergessen kann, daß ich auf einmal so froh bin, mit dir zusammen zu sein. Ich meine, ich dürfte das nicht.«
    Ich legte meinen Arm um ihre Schultern. Dann ging ich auf den Korridor und holte mein Päckchen.
    »Wahrscheinlich habe ich alles falsch gemacht«, sagte ich. »Deine Blumen habe ich längst in die Vase gestel t. Und die Tasche wird dir bestimmt nicht gefallen«, fuhr ich fort. »Ich habe keine Erfahrung in diesen Dingen.«
    »Sie ist hübsch«, erwiderte sie, »und wenn du mehr Erfahrung in diesen Dingen hättest, wärst du mir längst nicht so sympathisch. Aber das ist ja al es Unsinn.
    Natürlich hast du Erfahrung, aber das macht ja nichts.«
    Sie holte aus ihrer Handtasche eine winzige Schachtel. »Hier«, sagte sie, »für dich.«
    Es waren goldene Manschettenknöpfe. Ich besitze sie heute noch. Der zuckende Schein der Kerzen huschte über ihr Gesicht, beleuchtete die Stirn, die Augen, die Nase. Ich konnte den Blick nicht von ihr wenden. Ich starrte sie die ganze Zeit an, und sie sah es gerne. Sie wurde nicht verlegen. Sie kokettierte nicht. Sie gab sich ganz einfach so, wie sie war. Sie war Joan.
    Wir saßen nebeneinander auf der Couch. Die Musik war wieder da und der Zauber, und es war so, als hätte es nie einen Krieg gegeben, als würde nie wieder geschossen, als würde nie wieder eine Mutter um ihren Sohn und eine Frau um ihren Mann zittern. Es war ganz einfach so, als ob plötzlich auch der böswilligste, auch der dümmste, auch der gefährlichste Politiker die Botschaft von Bethlehem begriffen hätte. Es gab keinen Kriegsschauplatz für uns. Es gab das Wohnzimmer im elften Stock einer ganz unglaublich hübschen und
    kultivierten Apartment-Wohnung. Ich war kein Deutscher und sie keine Amerikanerin. Und wir hatten uns lieb, und wir brauchten die Banalität der Sprache nicht, um uns das gegenseitig zu sagen.
    Wir wußten es.
    Ich weiß nicht, wie lange wir so gesessen haben, schweigend, gelöst, glücklich.
    Die Kerzen brannten zu kleinen Stummeln zusammen. Wir mußten sie löschen.

    Ihr Schein spielte nicht mehr mit Joans Gesicht. Aber der Duft und der Zauber des Mädchens waren noch im Raum.
    »Seltsam«, sagte Joan, eigentlich wissen wir gar nichts voneinander. Noch seltsamer aber ist, daß wir uns nie gefragt haben, wer wir sind. Ich glaube, das muß auch so sein.«
    Ein paar schnelle, kleine Falten zeigten sich auf ihrer Stirn.
    »Ich habe die Empfindung, daß ich dich schon ewig kenne.«
    »Mir geht es genauso«, erwiderte ich.
    Wir küßten uns. Und ich vergaß alles, was ich nicht vergessen durfte. Die Zeit, die Umstände, den Auftrag, die Jagd, die Hetze. Die menschliche Maschine Agent 146 der deutschen Abwehr, der Mann, der al es ausführte, was man von ihm verlangte, ohne zu fragen, für was, für wen, gegen was, gegen wen — starb für ein paar Stunden. Ich erkannte, erlebte, erfuhr, daß ich ein Mensch war wie jeder andere, ein Mensch mit Sorgen und Gefühlen, ein Mensch mit einem eigenen Herzen und einem Anrecht darauf. Mit einem Anrecht, das keine Macht,

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