Spione, die die Welt bewegten
Staates zeichneten sich außerdem durch unterschiedliche Entwicklungsschwerpunkte
aus. In den |166| westlichen Staatsteilen begann bereits die Industrie zu blühen, während im Osten noch die Landwirtschaft vorherrschte. Die
Suche nach einer Einheitlichkeit und die Überwindung dieser Zersplitterung waren deshalb zu erwarten. Zölle mussten abgeschafft
werden, um den Handel zu stärken. Im deutschsprachigen Raum entwickelte sich außerdem ein Dualismus zwischen Preußen und Österreich,
der 1866 in militärischen Auseinandersetzungen mündete. Dieser Krieg mit dem Sieg Preußens schuf die Voraussetzungen für einen
deutschen Nationalstaat ohne Österreich.
Bismarck und Wilhelm Stieber
Der preußische Politiker und spätere Ministerpräsident Bismarck war ein geschickter und erfolgreicher Realpolitiker, dem die
Größe und Macht eines Staates wichtiger waren, als die persönlichen Rechte der Staatsbürger. Er strebte einen deutschen Nationalstaat
unter der Dominanz Preußens an, was ihm nach einem Krieg gegen Frankreich 1870/71 auch gelang. Bei den zahlreichen Auseinandersetzungen
mit inneren und äußeren Gegnern griff die preußische Staatsführung gerne auf geheime Aktionen zurück. Ein Meisterspion war
dabei der Jurist Dr. Wilhelm Stieber, den Bismarck den „König der Spürhunde“ nannte.
Wilhelm Stieber, Sohn eines preußischen Beamten, wurde 1818 in Merseburg geboren und sollte nach dem Wunsch seines Vaters
ursprünglich an der Berliner Universität Theologie studieren. Der Sohn entschied sich aber nur zum Schein für ein Theologiestudium
und studierte in Wirklichkeit Jura. Um den Vater zu täuschen, legte er in seinem Studierzimmer sogar Manuskripte seiner angeblichen
Predigten aus. Eltern und Verwandtschaft sahen ihn als einen zukünftigen Pastor. In der Berliner Hofkirche kam er deshalb
einmal in eine schwierige Situation: Er sollte einen kranken Pastor vertreten und eine Predigt halten. An dem Gottesdienst
nahmen nicht nur seine stolzen Eltern, sondern zu seinem Erstaunen auch König Friedrich Wilhelm IV. teil. Später berichtete
Stieber, er habe den Eindruck gehabt, als hätte der König mit offenen Augen geschlafen. Nach seiner eindrucksvollen Predigt
hatte der Vater Großes mit ihm vor, doch Wilhelm musste nun zugeben, dass er überhaupt nicht Theologie sondern Jura studierte.
Der Vater wurde bitterböse und entzog ihm alle finanziellen Unterstützungen. Um sich den weiteren Verlauf seines Studiums
zu sichern, nahm Wilhelm Stieber Schreiberdienste bei Berliner Polizeibehörden an und begleitete häufig Kriminalkommissare
bei Aufklärungsarbeiten und Verhaftungen. Als er nach dem Examen Referendar am Berliner Kriminalgericht wurde, ließ er sich
sogar 1844 beurlauben, um erfolgreich als Kriminalkommissar zu arbeiten. Durch seine Arbeit fiel er höheren Stellen auf und
erhielt erstmals 1845 einen Geheimauftrag. In der Gegend von Hirschberg sollte er eine sozialistische Geheimgesellschaft ausheben,
die einen Umsturz plante und reiche Bürger ermorden wollte. Da er vorzüglich zeichnen und malen konnte, tarnte er sich als |167| Kunstmaler und reiste nach Schlesien. Er machte überall unauffällig künstlerische Skizzen und beobachtete dabei genau seine
Umgebung. Seine Indizien reichten anschließend vor Gericht für Verhaftungen und Verurteilungen aus.
Bismarck begrüßt den Chef des preußischen Generalstabs Feldmarschall Graf von Moltke
In den folgenden Jahren beschäftigte sich Stieber überwiegend als Strafverteidiger und als Zeitungskorrespondent für Kriminalfälle.
Dabei baute er auch Kontakte zur Unterwelt auf, die ihm später nützlich waren. 1847 schied er aus dem Staatsdienst aus, nachdem
ihm skrupellose Ermittlungsmethoden und das Fälschen von Beweisstücken vorgeworfen wurden. Beim folgenden Prozess wurde er
jedoch aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Während der Märzrevolution 1848 verteidigte er mit einigem Erfolg Angeklagte
in politischen Prozessen. 1850 wurde er wieder in den Staatsdienst aufgenommen, nachdem sich angeblich der König für ihn eingesetzt
hatte. Grund war die Flucht des prominenten Revolutionärs Gottfried Kinkel aus dem Spandauer Gefängnis. Der König warf der
Berliner Polizei deshalb Unfähigkeit vor und soll die Meinung vertreten haben, dass nur noch Stieber in der Lage sei aufzuräumen.
In diesem Jahr 1850 erhielt Stieber vom preußischen Innenminister einen geheimen Auftrag, der ihn sogar in die
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