Spione kuesst man nicht
um und sah die Flaschenzüge, die die Mädchen gebastelt hatten – die Drähte, die an Bex und mir befestigt waren –, und plötzlich begriff ich, warum ich mich wie ein Fisch fühlte, den Grandpa Morgan gerade aus dem Wasser gezogen hatte.
Selbst Macey war da. Sie lag auf dem Bauch und spähte über den Rand des Heubodens. »Es hat geklappt.« Sie wälzte sich auf die Seite, um uns anzuschauen. »Da unten ist es so dunkel, dass uns bestimmt keiner gesehen hat.«
»Oh, mein Gott!«, gab ich endlich von mir.
Für jemanden, der praktisch zum ersten Mal in einen Spionageakt verwickelt war, verhielt sich Macey ziemlich ruhig. Vielleicht stimmte Tinas Geschichte tatsächlich, dass Macey die Chefredakteurin der Vogue einmal erpresst hatte, damit Schlaghosen wieder in Mode kämen.
Liz dagegen flippte völlig aus. »Cammie, hast du mich gehört?«, brüllte sie beinah. »Deine Mutter und Solomon sind da! Sie sind hier! Sie hätten dich sehen können! Weißt du, was passiert, wenn sie dich sehen?«
»Ich weiß«, sagte ich und sank zu Boden. Ich atmete den süßen Heuduft ein und wartete darauf, dass mein Herz aufhörte zu hämmern. Dann wurde mir etwas klar. »Sie haben mich nicht gesehen.«
»Aber wie kannst du da so sicher sein?«
Dieses Mal antwortete Bex. »Weil sie noch nicht tot ist.«
Der Heuboden war dunkel und mindestens zehn Meter über der Fete, also legten sich Bex und Liz hin, und gemeinsam krochen wir zu Macey am Rand. Trübe Lampen flackerten unter uns, und die Band spielte eine langsame Melodie. Ich beobachtete, wie meine Mutter mit Mr Solomon tanzte. Sie hatte den Kopf an seine Schulter gelehnt, und plötzlich fand ich, es wäre mir lieber gewesen, wenn sie Hackfleisch aus mir machten, als das hier anschauen zu müssen.
»Wow«, murmelte Macey. »Irres Paar.« Ob sie das wörtlich meinte?
»Oh, Cammie«, sagte Liz, »sie sind bestimmt nur als Freunde da. Stimmt’s, Bex?«
Bex war sprachlos.
Oh, mein Gott!
»Also, echt, ich bin sicher, dass sie nur –« Liz versuchte, dieSache zu retten, aber es war Macey, die sagte: »Mach dir keine Sorgen, sie gehen nicht miteinander oder sind verknallt oder so was.«
Sie klang sehr überzeugt – sehr sicher. Ich sah sie an und fragte mich: Woher weiß sie das so genau? Dann fiel es mir ein – sie war Macey McHenry! Natürlich wusste sie Bescheid! Ich fühlte mich gleich viel besser, bis sie ein schicksalsschweres »Noch nicht!« hinzufügte. Mir wurde fast schlecht.
Ich konnte nicht mehr hinschauen, also drehte ich mich weg und fragte: »Wie ist das passiert?«
»Nachdem du deiner Mutter einen Korb gegeben hast, hab ich gesehen, wie sie mit dem scharfen Typen dort unten geredet hat«, sagte Macey. »Und dann haben sie halt beschlossen, was zu unternehmen.«
»Und wir wussten, dass so was passieren kann, also haben wir deiner Mutter einen Sender in die Tasche geschmuggelt«, meinte Bex selbstgefällig, die die Situation für meinen Geschmack ein bisschen zu sehr genoss.
»Und wir haben den Sender in Joshs Schuh aktiviert.« Liz streckte mir ihr Handgelenk entgegen, und plötzlich sah ich zwei rote Punkte nebeneinander blinken, als Josh unter uns zwei Becher mit Bowle durch die feiernde Masse trug und nur wenige Zentimeter an meiner Mutter vorbeiging.
»Und dann fanden wir, dass du vielleicht eine Not-Extraktion brauchst«, sagte Liz und sonnte sich in der Gelegenheit, diesen super Ausdruck zu benutzen.
Ich warf die Arme über meinen Kopf, vergrub mein Gesicht im süß duftenden Heu und wünschte mir, es sei alles nur ein Traum, was mir auch fast gelang, bis ich jemanden »nettes Sträußchen« sagen hörte. Ich blickte hoch und starrtein Maceys Gesicht, die mit den Schultern zuckte und meinte: »Was denn? Findest du doch auch!«
Aber es war kaum der richtige Zeitpunkt für Erklärungen. Oh, nein, wir hatten viel Besseres zu tun, wie Bex zweifellos wusste, weil sie sich tiefer ins Dunkel drückte und sagte: »Los, komm! Eine operative Extraktion im Anzug.«
Bevor ich wusste, wie mir geschah, zog mich Bex auf die Füße und hakte mich an einem Kabel fest, und Macey stieß die Heubodenklappe auf und machte sich bereit, mich wie einen großen Heuballen in der kalten Herbstnacht hinunterzuschmeißen.
»Nein«, sagte ich, aber Liz schubste mich aus der Tür.
»Ich kann nicht«, schrie ich, aber ich drehte mich schon in der Luft. Im Nu stand Liz neben mir auf der Erde, gefolgt von Macey, die auf die Bäume am Rand der Weide zurannte.
»Liz, ich
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