Spitfire: Kühler Tod
die das Fluchen mit sich bringt, in vollen Zügen.
Ich lächele immer noch heiter, als Royce Durand in mein Büro donnert. »Was haben Sie getan, Tomi?«
»Was meinen Sie?«, frage ich und fühle, wie sich die Härchen in meinem Nacken aufstellen.
»Ich habe gerade einen Anruf von Dempster Martin erhalten.«
Diese Richtung gefällt mir ganz und gar nicht. »Von wem?«
»Dempster Martin. Scotts Vater?«, hakt er nach.
Inzwischen ist auch Jin wieder da und bereit, sich ins Getümmel zu stürzen.
»Haben Sie wirklich ›Fick dich, du verfickter Ficker‹ zu Mr Martin gesagt?«
»Das ist vollkommen inakzeptabel«, wirft Jin ein. Ihr französischer Akzent ist wie weggeblasen, aber das erwähne ich jetzt wohl besser nicht.
Das Telefon klingelt, während sie mich anschreien – in Stereo.
»Scott Martins Büro«, sage ich und halte mir das freie Ohr zu, um etwas zu verstehen.
»Hi Tomi. Wie geht’s?«, fragt Scott gut gelaunt.
Eine Welle der Erleichterung durchläuft mich. »Oh, Gott sei Dank, Sie sind es, Scott. Wo sind Sie?«
»Am Flughafen. Ich fliege gleich zurück, warum?«
Royce beugt sich rüde über meinen Schreibtisch und legt das Gespräch auf Lautsprecher. Jetzt schreien er und Jin abwechselnd das Telefon an. Ich schaffe es, mich kurz von der Situation zu distanzieren, und finde, dass es eigentlich ganz lustig aussieht, wie sie da diesen kleinen schwarzen Kasten anbrüllen.
»Okay. Von Anfang an, bitte«, wirft Scott ein, als sie kurz Luft holen müssen.
Royce legt los, was auch sehr rüde ist, wenn man in Betracht zieht, dass Scott
mich
angerufen hat und dass wir uns hier in
meinem
Büro befinden. Als er zu dem »Fick dich, du verfickter Ficker«-Teil kommt, lehne ich mich zurück und bin ein bisschen beeindruckt, dass er so weit das meiste richtig wiedergegeben hat.
Dann übernimmt Jin und erwähnt die Tequilaflasche – wobei sie die Größe allerdings unerwähnt lässt. Ich starre auf die Kiste unter meinem Schreibtisch, in der ich meine Sachen hier heraufgebrachthabe. Ich unterdrücke den Impuls, damit zu beginnen, sie wieder einzuräumen.
Dann sind sie endlich weg und Scott ruft mich noch einmal an. »Der Anrufer hat nach Dempster Martin gefragt«, erkläre ich und höre die Verzweiflung in meiner Stimme.
»Persönlich finde ich ja, dass Telefonverkäufer erschossen werden sollten. Professionell muss ich Sie aber darum bitten, nicht mehr ganz so … gesprächig zu sein, wenn mal wieder einer anruft.«
Trotz meiner Angst entlockt es mir ein Lächeln, dass Scott von der Zukunft spricht.
»Und was ist mit Ihrem Vater? Er will meinen Kopf auf einem Brötchen.«
»Er ist ein alter Griesgram. Ich rede mit ihm.«
»Danke.« In diesem Moment liebe ich ihn.
»Ich sollte Sie wohl vorwarnen. Sobald ich im Büro bin, treffe ich mich mit Royce und der Personalabteilung. Sobald es vorbei ist, komme ich hoch, rühren Sie sich also nicht vom Fleck.«
»Okay«, antworte ich. Als ich auflege, frage ich mich, ob die sprichwörtlichen blauen Briefe wohl wirklich blau sind.
Kurz vor fünf trifft Scott ein und steuert direkt den Konferenzraum an, wo Royce, Jin, Terry Bell von der Personalabteilung und Royces Assistentin Sam schon auf ihn warten, um den Fall mit der Problemangestellten, meiner Wenigkeit, zu diskutieren. Übrigens stehe ich schon seit der letzten Weihnachtsfeier auf Terry Bells Abschussliste, weil ich ihn in meinem angeschickerten Zustand versehentlich einmal Taco Bell genannt habe – nach dieser Billig-Fastfood-Kette. Na ja, vielleicht war es auch ungefähr fünfmal.
Nach dem Treffen klärt mich Sam darüber auf, was ich verpasst habe. Anscheinend hat Scott meine »vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit«als Folge von Justins Tod erklärt. Inzwischen hat jeder in der gesamten Bay Area von diesem Mord gehört. Taco merkte an, er habe heute Morgen in der Zeitung gelesen, der Gerichtsmediziner könne den Todeszeitpunkt wegen der Kühlstellung der Leiche nur auf ein Zeitfenster von sechs Stunden eingrenzen.
Als Sam das erzählt, fühle ich, wie sich mein Magen zusammenkrampft. Jedes Mal, wenn ich etwas Neues über Justins Tod erfahre, ist es, als hörte ich das alles zum ersten Mal. Es bricht mir das Herz, dass ein Mensch, der so voller Leben war und in dem eine so wilde Kraft glühte, jetzt nur noch »die Leiche« genannt wird.
Jin hat dann offenbar eingeworfen, das alles sei ja sehr traurig, aber Trinken am Arbeitsplatz sei nun mal unverzeihlich und ich sollte deshalb
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