Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
Vom Netzwerk:
werden wir die Priester stürzen, ihnen ein Ende bereiten. Du wirst es erleben. Ich tue es für deine Mutter, nur für sie.«
    Er schubste Marisa aus dem Weg und eilte zur Tür. Erschrocken rannte das Mädchen zu Sinsala, die sich starr gegen die Wand presste.
    »Leb wohl«, stieß Talomar hervor. Dann verließ er die Kammer, zog die Tür hinter sich zu. Sie hörten seine schweren Stiefel auf dem Gang.
    Marisa klammerte sich an ihre Schwester. »Wer war das? Kennst du ihn? Ist er ein böser Mann oder jemand, der uns helfen will?«
    »Ich weiß es nicht«, flüsterte Sinsala. »Überall nur Wahn … das macht die Angst aus den Menschen – wilde Tiere!« Sie kniete sich neben Marisa hin. »Warum bist du hier? Ich dachte, du wolltest mit Banja am Fluss spielen?«
    Sie nickte. »Ja. Aber es ist etwas geschehen. Etwas Schreckliches und etwas Schönes.« Sie lachte und weinte gleichzeitig, während Sinsala über ihr Haar strich. »Ich war am Splitternest, zusammen mit Banja und Orusit und den Troubliniern. Aber dann … das Splitternest ist zerborsten, wie ein Ei. Und die Troublinier sind tot, alle tot! Es war scheußlich! Und dann …« Sie verschluckte sich fast vor Eifer.
    »Nun sag schon!«, rief Sinsala. Ihr Herz raste.
    »Mama ist zurück!« Marisas Augen strahlten. »Sie ist zurückgekommen und wartet auf uns, am Splitternest, um uns fortzubringen!«

 
KAPITEL 9
     
    Frieden
     
    Rauch hing über dem Palidonischen Hochland und färbte den Himmel gelb. Die Luft glühte; ein Knistern ringsum, prasselnde Flammen auf tiefschwarzen Steinen, sie zischten und sprangen und tanzten umher. Lavaströme sprudelten aus Erdspalten, ergossen sich über verbrannte Wiesen und Felder und Steppen, ließen nichts zurück als eine Schicht löchrigen Basalts, in dessen Poren sich Asche sammelte.
    Im Berg Arnos schwelte das Auge der Glut. Ein Grollen drang aus dem Innern des Berges. Die Quelle sang das alte Lied der Zerstörung, des Niedergangs einer Welt, die sich erneuern musste. Das Land war zur glühenden Einöde geworden; Felsnadeln ragten auf wie tote Baumstümpfe. Immer wieder jagten Erschütterungen durch das Hochland; dann spritzte Glut auf, der Rauch verdichtete sich zu finsteren Wolken, und glühende Winde strichen um den Berggipfel, um die letzten Spuren des Lebens zu tilgen.
    Im Rauch schwebte ein Körper. Glimmende Adern unter grauer Haut; der Kopf haarlos wie der restliche Leib, das junge Gesicht entstellt von der Magie der Sphäre. Die Augen waren geschlossen. Als Nhordukael sie öffnete, schlugen Flammen unter den Lidern hervor, tropften an den Wangen herab, legten sich über das Gesicht wie eine Maske aus Feuer.
    Das Auge der Glut. Wieder und wieder kehre ich zu ihm zurück.
    Der Auserkorene hielt den goldenen Stab fest in der Hand, lenkte mit ihm die Sphärenströme und zwang sie, ihn zum Fuß des Berges zu tragen. Sein Leib war schwerelos, kaum noch gebunden an jene Welt, der er entsagt hatte. Um ihn wirbelte Rauch, ein Schleier aus schwarzer Seide; er schlug ihn beiseite mit entschlossener Geste.
    Und um mich die Sphäre … sie umgibt mich wie der Rauch und trägt mich an jeden Ort. Meine Macht ist nicht länger an das Auge der Glut gebunden. Das Auge ist mit der Sphäre verschmolzen und durchtränkt sie mit ihrem Feuer. Der Stab in seiner Hand vibrierte, und die Magie des Schwarzen Schlüssels durchflutete seinen Körper.
    Er sah, wie sich die Tore der Sphäre vor ihm öffneten. Gharax verdorrte vor seinen Augen zu einem winzigen Punkt, auf den er aus weiter Ferne herabsah. Zugleich spürte er, dass er sich diesem Gefühl unendlicher Macht nicht hingeben durfte, nicht ganz. Denn dann würde er enden wie Durta Slargin – als Sklave der Sphäre, der keine Ruhe finden konnte.
    Das Trugbild verging. Vor ihm lag das brennende Hochland, und sein Körper sank dem Erdboden entgegen. Die starren Fetzen seiner verbrannten Kleider fächelten auf, als der Wind sie erfasste. Seine Füße streiften die Steine. Die Berührung war schmerzhaft, als stächen unzählige Nadeln in seine Fußsohlen. Er strauchelte, fing sich aber und rammte den goldenen Stab in den Boden. Das Gestein war weich und gab nach; kaum erhärtete Lava, die unter ihm glühte.
    Nhordukael blickte auf. Nun bemerkte er die Männer, die sich am Berg Arnos versammelt hatten. Hunderte Augenpaare ruhten auf ihm, rotglühend wie die seinen. Aschegeschwärzte Gesichter, verdorrte Lippen, verbrannte, ledrige Haut. Ihre Köpfe waren mit Bändern umwickelt; einst waren

Weitere Kostenlose Bücher