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Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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sie weiß gewesen, doch der Rauch hatte sie in Fetzen verwandelt.
    Die Weißstirne blickten Nhordukael an. Sie hatten auf ihn gewartet, so lange schon, nicht gezweifelt, nicht gebangt. Sie hatten gewusst, dass er zurückkehren würde, und hatten im zerstörten Hochland ausgeharrt. Nun hoben sie ihre Schwerter und Dolche. Flammen umzuckten die Klingen.
    Ihr Anführer trat vor, ein junger Mann. Sein Gesicht war entstellt; aus mehreren Wunden tropfte Blut. Es entzündete sich in der Luft und stob in Funken herab.
    »Drun … so sehen wir uns wieder.« Nhordukael musste lächeln. »Es ist lange her, dass wir uns getrennt haben.«
    Drun versuchte zu antworten, aber es kam nur ein Krächzen über seine Lippen.
    »Du hast mich nach Vara gebracht, als ich schwach war«, fuhr Nhordukael fort. »Im Haus des Kerzenziehers nahmen wir voneinander Abschied. Nun kehre ich zurück und bin stärker als je zuvor. Und du … du konntest wohl rechtzeitig aus Vara entkommen, ehe Mondschlund die Tore der Stadt zugeworfen hat.«
    Drun nickte. Er deutete nach Süden. Als Nhordukael sich umdrehte, sah er in der Ferne ein Funkeln. Es zog sich über den ganzen Horizont, fast so, als reflektiere ein gläserner Wall das Sonnenlicht; ein Wall, der den Süden vor dem Feuer des Hochlands schützte.
    Dort also lag Vara, die Stadt aller Städte. Mondschlunds Fluch hatte sie erweckt.
    Welch seltsamer Anblick … gerade noch war ich im Verlies unter Vara, und nun blicke ich von weitem auf diese Stadt. Die Sphäre kennt keine Schranken mehr; sie trägt mich an jeden Ort dieser Welt. Aber der Preis dafür ist hoch.
    Nicht nur sein Leib war durch das Auge der Glut verstümmelt. Auch die Weißstirne hatten sich verändert. Die Quelle schützte und nährte sie, machte sie unverwundbar und drang doch immer tiefer in ihr Fleisch. Als Nhordukaels Augen über ihre Reihen wanderten, erkannte er seine Schuld an ihrem Schicksal. Er hatte sie der Quelle ausgeliefert und im Hochland zurückgelassen – seine Anhänger, seine Streitmacht.
    Wer sich der Sphäre hingibt, verfällt ihr. Und auch ich bin ihr verfallen, vor langer Zeit; ich missbrauchte die Magie, um mich an Tathrils Kirche zu rächen, um Thax einzuäschern, um die Fürsten aus dem Hochland zu vertreiben. Mondschlund hat mich dazu getrieben, und ich habe mich von ihm benutzen lassen. Es darf sich nicht wiederholen, niemals.
    Er wankte den Weißstirnen entgegen. Jeder Schritt bereitete ihm Qualen. Als er endlich vor ihnen stand und die flimmernde Hitze der Schwerter ihn erfasste, hob er die Stimme.
    »Ihr habt mich erwartet und seid bereit für den letzten Kampf. Das Heer der Goldéi ist nah. Ich kann es spüren.« Er hob seinen Stab. »Wir werden ihnen entgegenziehen, aber nicht, um zu kämpfen, nicht, um sie auszulöschen. Wir wollen ihnen zeigen, welche Macht die Sphäre uns verliehen hat, damit sie lernen, uns zu fürchten.«
    Der Boden unter ihm grollte. Rauch quoll aus dem Berg Arnos. Eine Wolke aus Asche und glühenden Funken wälzte sich den Hang hinab, stob durch die Reihen der Weißstirne. Sie spürten es kaum, lauschten dem Nachhall von Nhordukaels Worten; und er erschrak, als er ihre Gesichter betrachtete.
    Sie waren leer und ausdruckslos, so wie die Mienen der Geister, die er in Mondschlunds Verlies gesehen hatte.
    »Wer sich der Sphäre hingibt, verfällt ihr«, sagte er leise. »Ich kann nichts für euch tun, nur verhindern, dass noch einmal ein Mensch solche Macht über die Sphäre erlangt wie Sternengänger und Mondschlund … und wie ich.«
     
    Ihr seid nicht länger Mondschlunds Sklave und kein Kaiser, kein Herrscher, kein Fürst. Vergesst nicht, wer den Silbernen Kreis schuf. Vergesst nicht, dass er zersprungen ist.
    Immer wieder rief sich Baniter die Worte in Erinnerung, die Nhordukael ihm mitgegeben hatte. Wenn der Fürst die Augen schloss, glaubte er die glühende Gestalt des jungen Priesters vor sich zu sehen. Er hörte Nhordukaels Stimme, spürte die brennenden Finger auf seiner Haut und entsann sich des Augenblicks, als Nhordukael den goldenen Stab in Mondschlunds Mund getrieben hatte. Baniter wusste, dass er den Auserkorenen nicht wieder sehen würde. Aber seine Macht war noch immer greifbar. Sie erfasste die Wände des Verlieses, quoll aus den Steinritzen … zuckende Flammen, die das schimmernde Moos verzehrten, die Gänge ausbrannten.
    Das Verlies hatte sich verändert, seit Baniter in seine Gänge zurückgekehrt war. Er hatte den Zugang rasch gefunden, sich von seinem

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