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Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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Körper; ein purpurner Todesschleier, der sich in der Luft entfaltete, um den Leichnam zu bedecken.
    Im Burghof brach Panik aus. Die Menschen stoben auseinander. Die Gildenkrieger zückten ihre Schwerter, stießen wilde Flüche aus. Auf den Mauern wankte ein Wächter, sein Leib von Pfeilen durchbohrt. Die Bogen der Pfortenritter sangen, und einige von Talomars Männern erklommen die Wehrgänge, um die Wachen anzugreifen.
    Oben auf der Terrasse schleuderte Talomar das Mädchen zu Boden, in Richtung ihrer Schwestern. Dann zog er sein Schwert.
    »Für Mondschlund!«
    Die Gildenkrieger stürzten sich auf ihn mit wütenden Rufen. Seine Klinge empfing sie mit einem präzisen Hieb, schräg von unten geführt. Mit hässlichem Laut schnitt sich das Schwert durch ihre Körper. Sie knickten ein wie Zweige, rollten über die Brüstung, trudelten hinab in den Hof.
    »Für Mondschlund! Für die Stadt aller Städte!«
    Er war wie von Sinnen. Im blinden Wahn ging Talomar auf die wehrlosen Priester los, die zur anderen Seite der Terrasse zurückgewichen waren. Sie warfen sich auf die Knie, flehten ihn an, sie zu schonen. Verdorrte Rosen prangten auf ihren Stirnen; er brachte sie mit seinem Schwert zum Blühen.
    »Wollt ihr Tathril noch immer treu sein?« höhnte er. »Dann folgt ihm in den Tod! Uns aber rettet Mondschlund, hört ihr? Ich habe seine Macht gesehen, auf Suuls Nacken! Er hat Imris seinen Schutz gewährt! Für Mondschlund! Für die Stadt aller Städte!«
    Und er hieb mit finsterer Leidenschaft auf die Bathaquari ein, dass er auf nichts mehr Acht gab; nicht auf den Lärm, der aus dem Burghof empordrang, nicht auf die Mädchen, die längst aufgesprungen und im Turmeingang verschwunden waren. Sie stolperten die Wendeltreppe hinab und ließen Talomar auf der Terrasse allein. Nur sein Ruf begleitete sie, der von zahlreichen Männern im Burghof aufgegriffen wurde.
    »Für Mondschlund! Für die Stadt aller Städte!«
     
    Panik. Blinde Furcht. Verzweifelte Schreie. Ein jeder versuchte zu fliehen, zerrte an fremden Kleidern, um sich zu retten, fort von dem herabspritzenden Blut, von den fliegenden Pfeilen, fort aus dem Kreis des Todes. Es gab nur diesen einen Fluchtweg: durch das Torhaus, einen eng gemauerten Gang, der in die Stadt führte. In ihm quetschten sich die Körper aneinander, verkeilt zu einem Menschenpfropf, der den Nachdrängenden den Weg versperrte. Und doch drückten und schlugen und stemmten sich alle in den Gang, prügelten auf die Nahestehenden ein, besinnungslos, töricht, grausam in ihrem Wunsch zu leben. Nur fort, fort von hier! Fort von Vinnors Turm, fort von dem Tempel, fort von den Bathaquari.
    Im Hof lieferten sich Pfortenritter und Gildenkrieger wilde Kämpfe. Talomars Männer waren den Troubliniern an Köpfen zwar unterlegen. Aber sie wussten, wofür sie kämpften.
    »Für Mondschlund! Für die Stadt aller Städte!«
    Die Troublinier hingegen waren verwirrt und verängstigt. Sie hatten gesehen, wie Levaste auf den Steinen des Burghofs zerschellt war. Welchen Sinn hatte es, für einen toten Prior zu sterben, den sie ohnehin verachtet hatten? Schon streckten einige Troublinier die Waffen. Andere flohen in die Gebäude, um sich zu verbarrikadieren.
    Der Widerstand brach.
    Auf einem der Wehrgänge rannten Baniters Töchter, die Köpfe geduckt hinter den Mauerscharten. Banja eilte vorneweg, Sinsala folgte dicht hinter ihr. Sie trug Marisa in den Armen. Gefallene und Verwundete lagen auf den Mauern und versperrten ihnen den Weg. Sie sprangen über die reglosen Körper hinweg.
    Dort lag das Torhaus. Eine Tür führte aus dem oberen Stockwerk auf den Wehrgang hinaus. Sie öffnete sich; einer der Torwächter blickte hinaus. Sie kannten sein Gesicht. In seinen Händen lag eine zusammengerollte Strickleiter.
    »Schnell, hierher!«
    Er zerrte die Mädchen in das Innere des Gebäudes.
    Von Vinnors Turm erschallte eine Stimme. Talomar Indris hatte sein Schwert emporgerissen. Er streckte es der Sonne entgegen, wie Levaste zuvor die Schale. Sein zerfetzter Handschuh schimmerte rot.
    »Für Mondschlund! Für die Stadt aller Städte!« Nun schweifte sein Blick über die Terrasse. Der letzte Bathaquari hatte sein Leben ausgehaucht. In ihren befleckten Kutten wirkten die Leichen armselig.
    Endlich bemerkte er, dass die Mädchen verschwunden waren. Suchend blickte er um sich, starrte auch in den Burghof hinab. Dann stieß er wütend das Schwert zurück in die Scheide und hastete zur Wendeltreppe.
     
    Ein Vogel kreiste

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