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Splitterseelen

Splitterseelen

Titel: Splitterseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Busch , Sandra Gernt
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rechte Hand flach auf die Platte und murmelte etwas vor sich hin. Nach wenigen Augenblicken begann der Stein zu glühen, ein regelrechter Wirbelsturm magischer Energien fegte über die Lichtung. Jason schrie auf, das Ganze hier
    war erschreckend für ihn. Bevor Mijo sich beherrschen konnte, hatte er bereits einen Arm um seinen Süßen geschlungen und ihn beruhigend an sich gedrückt. Einen kurzen Moment lang ließ Jason es zu, bevor er sich von ihm befreite – nicht nachdrücklich, als wäre es ihm unangenehm, was ein kleiner Trost war.
    „Beginnt“, sprach Sharnak mit gepresster Stimme. Er schwankte leicht, ohne seine Krücke wäre er vielleicht gestürzt. Andina warf ihm einen undurchsichtigen Blick zu, bevor sie sich ohne zu Zögern auf den Opferblock legte. Der Alte Mann hielt Mijo einen Zeremonialdolch hin.
    „Mach endlich!“, fauchte Andina.
    „So gierig danach, dass ich etwas Langes in dich versenke?“
    Seine Sprüche waren auch schon mal flotter gewesen. Mijo hatte gedacht, es würde ihn befriedigen, diese Schlampe genauso abzustechen, wie sie es mit ihm getan hatte. Tatsache war: Er hatte in seinem verkorksten Leben drei Mal getötet. Zuletzt die drei Dämonen, die das Tribunal geschickt hatte und davor hatte er zwei Menschen umgebracht, bei Bandenkriegen. Und er hatte es gehasst. Jahrelang hatte er sich Drogen eingeworfen und alles gesoffen, was flüssig aussah und in Flaschen verkauft wurde. In dieser Zeit hatte er für eine Menge gebrochener Knochen, Narben und andere Andenken gesorgt. Er hatte es gehasst. Andina war garantiert keine Prinzessin auf der Erbse, wirkte allerdings erschreckend hilflos und klein, wie sie da unter ihm lag, den Kopf weit in den Nacken gestreckt, um die Kehle zu präsentieren. Mijo roch ihre Angst. Er hörte ihr viel zu rasch schlagendes Herz, sah das Zittern ihrer Glieder, das sie nicht vollständig unterdrücken konnte. Sie war ein lebendes, atmendes Wesen, das ihn in keiner Weise bedrohte. Natürlich würde sie gleich wieder aufstehen, trotzdem …
    Hör auf, du winselndes Kleinkind! Sie warten zu lassen macht es nicht besser.
    Er packte in ihr dichtes schwarzes Haar, froh, dass sie sich wenigstens den ganzen anderen rituellen Quatsch sparen konnten, den man ihm noch aufgebürdet hatte – weder Waschungen, Weihen noch bestimmte Sprüche noch sonst irgendwas waren notwendig, hatte Sharnak versichert.
    „Man sieht sich, Püppi“, sagte er, holte aus und rammte den Dolch wuchtig in Andinas Kehle. Sie bäumte sich auf, ihr Gesicht verzerrte sich vor Qual. Zwei, drei Zuckungen des sterbenden Körpers. Dann war es vorbei. Mijo zog die Klinge zurück und betrachtete interessiert das Blut, das auf den Opferstein floss. Es schien zu versickern, regelrecht aufgesogen zu werden. Auch das Blut auf dem Dolch sammelte sich und tropfte auf den Stein, wo es vollständig verschwand. Mit einem Mal riss ihn ein harter Schlag von den Beinen. Was geschah da mit ihm? Feuersglut brannte in seinen Adern, es zerriss ihn regelrecht von innen in Stücke. Zugleich fühlte er Andinas Schmerz, der es ähnlich wie ihm erging. Und dann, mit der Gewalt einer einstürzenden Staudammmauer, spürte er, wie etwas in ihm zerbrach und eine Flut purer Energie über ihn zusammenschlug. Mijo schrie, bis ihm das Bewusstsein schwand.
    Genauso abrupt, wie es begonnen hatte, war es plötzlich vorbei. Er fand sich in Jasons Armen wieder, der panisch seinen Namen rief. Himmel, das war gut! Am liebsten wäre Mijo noch ein wenig regungslos liegen geblieben, damit der Kleine sich weiter um ihn sorgen konnte, aber dafür war er zu aufgedröhnt.
    „Fühlt sich an wie `ne Überdosis Speed, nachdem man in die Steckdose gepackt hat“, murmelte er atemlos. Er war völlig verschwitzt, allerdings nicht im Geringsten erschöpft. Langsam richtete er sich auf, unsicher, ob er die Kontrolle über seinen Körper behalten würde. Wie bei seiner eigenen Opferung war er desorientiert, alles schien irreal, die Zeit verging höchstens halb so schnell wie normal. Jeder Atemzug überdauerte ein Äon, Sekunden tropften zäh wie Honig. Jason hielt ihn an die Schulter gepresst, stützte ihn, bis Mijo Körper, Geist und Seele in Einklang gebracht hatte. Zum ersten Mal seit sieben Jahren fühlte er sich vollständig. Nicht länger so, als wäre sein Inneres in Scherben zerschlagen worden. Das Ritual hatte tatsächlich seine Splitterseele zu einem Ganzen gefügt, das größer war als alles, was er zuvor in seinem verpfuschten Leben in den

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