Splitterwelten 01 - Zeichen
Carcharodon, eine jener Kreaturen, die in den Untiefen zwischen den Randwelten auf Beutejagd gingen und weithin gefürchtet waren. Sturmhaie, wie sie auch genannt wurden, waren Einzelgänger. Sie waren schwer zu zähmen und noch schwerer zu lenken, doch wer sie zu beherrschen vermochte, den trugen sie rasch und zuverlässig, selbst im Kampf.
Auf dem Rücken des Tieres, hinter dem konisch geformten Haupt mit dem zähnestarrenden Maul, ruhte das Patrouillenboot der kaiserlichen Flotte, dessen Besatzung den Auftrag hatte, die Luftfahrtswege von und nach Nergal zu überwachen; im Heck des Bootes stand der Lenker des Sturmhais, dessen Zügel mit den empfindlichen Seitenorganen des Tieres verbunden waren; auf dem Hauptdeck drängte sich die Besatzung, die sich aus Legionären der kaiserlichen Armee rekrutierte; im Bug jedoch, in dem kleinen Laderaum, der sich unter dem schmalen Vordeck befand, drängten sich sieben blinde Passagiere.
Croy, der bereits einmal auf diese Weise von der Minenwelt entkommen war; Kieron, der den Panthermann keinen Moment lang aus den Augen ließ und sich mehr um sein Wohlergehen als um sein eigenes sorgte; Shen, die die Sichelklinge, ihre einzige Waffe, mit beiden Händen umklammert hielt; Darg und Opossum, die ihre Anspannung geschickt verbargen; Wits, der sich, seinem tief verwurzelten Überlebensinstinkt folgend, den Flüchtlingen kurzerhand angeschlossen hatte; und schließlich Jago, dessen eigentlich grüne Schuppenhaut rötliche Flecken bekommen hatte – ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Besitzer des »Feuerkürbis« panische Angst hatte.
Croy hatte sein Versprechen eingelöst, und zwar im wörtlichen Sinn. Er hatte sie alle sicher aus dem Labyrinth der Minenstollen zurück an die Oberfläche geführt und es dabei geschickt vermieden, auf Aufseher oder Legionäre zu stoßen. Auf einem geheimen Weg, der durch eine unwegsame Schlucht führte, waren sie dicht an den Hafen der Garnison herangelangt, wo zahlreiche Schiffe der kaiserlichen Flotte vor Anker lagen. Die Gefährten hatten sechs Galeeren gezählt, die sich wie jene, mit der sie nach Nergal gekommen waren, mithilfe riesiger, Gas atmender Monodonten fortbewegten; aber es gab auch kleinere Schiffe, Patrouillenboote, die von Sturmhaien getragen wurden und von denen eines zum Auslaufen bereit gewesen war. Indem Opossum einmal mehr von seiner denkwürdigen Gabe Gebrauch gemacht hatte, war es ihnen gelungen, die Wachen vom Pier zu vertreiben und ungesehen unter Deck zu gelangen. Und hier waren sie nun, aneinandergedrängt wie Würmer auf einem Teller madagorischer Grütze, und warteten darauf, dass das Boot die Giftnebel Nergals hinter sich ließ …
»Wie lange dauert das denn noch?«, zischte Jago gegen den Wind, der um den Rumpf des Bootes strich und die Seile und Planken knarren ließ. »Womöglich wissen sie längst, dass wir hier sind!«
Kieron schluckte hart. Der Gedanke erschreckte ihn. Zwischen den Planken des Decks hindurch drang nur spärliches Licht in den Bugraum, das zudem bereits an Kraft verloren hatte. Der Tag neigte sich dem Ende, schon bald würde das Sanktuarion in Dunkelheit versinken. Unmöglich, dann noch zu bestimmen, welchen Kurs der Sturmhai nahm.
»Seid ihr bereit?«, fragte Croy. Allenthalben wurde entschlossen genickt, einzig Jago schien sich alles andere als sicher zu sein.
»Wollt ihr das wirklich tun? Da draußen sind wenigstens zehn Soldaten …«
»Elf«, verbesserte Shen. »Den Lenker des Tieres mitgerechnet.«
»Den übernehme ich«, erklärte Croy, seinem lädierten Zustand zum Trotz.
»Bist du sss-sicher?«, fragte Kieron in ehrlicher Sorge.
»Kannst du einen Sturmhai lenken?«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Aber ich kann dir dabei heee-helfen.«
Croy war der Widerwille deutlich anzusehen, aber schließlich auch die Einsicht. »Nun gut«, sagte er, »dann ist es entschieden. Der Steuermann gehört uns, ihr übernehmt den Rest.«
»Den Rest?« Jagos Blicke pendelten zwischen seinen Gefährten hin und her. »A-a-aber das ist doch Wahnsinn!«
»Wusstest du schon, dass du einen Sprachfehler hast, Schuppe?«, beschied Shen ihm trocken.
»Ja«, stimmte Kieron feixend zu. »Du sto-stotterst.«
»Worauf warten wir noch?«, fragte Darg, dem nicht nur das Gerede, sondern auch die drückende Enge zuwider zu sein schien. »Wenn wir schon sterben müssen, dann bringen wir es hinter uns.«
»Das ist das erste vernünftige Wort, das ich heute höre«, erwiderte Shen – und noch
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