Sprachlügen: Unworte und Neusprech von »Atomruine« bis »zeitnah« (German Edition)
eine Diskussion zeichnet sich gerade dadurch aus, dass die vertretenen Standpunkte eben nicht objektiv sind, sondern auf der Grundlage verschiedener Haltungen die Fakten unterschiedlich gewichten. Wer diese Tatsache kritisiert, hat sonst keine Argumente mehr und versucht, von genau diesem Umstand abzulenken.
Verwahrung
Eine der schlimmsten Strafen, die Menschen kennen, ist der Verlust der Freiheit. Jene, die es betrifft, finden daher durchaus drastische Worte dafür und nennen das Phänomen Knast, Bunker, Karzer, Kerker … Jene, die die Strafen verhängen, sind dagegen eher interessiert, das Ganze für den Rest der Welt ein wenig zu beschönigen. Wodurch sie aber – wie so oft – der Wahrheit näher kommen, als ihnen lieb sein kann. So auch mit der Verwahrung . Das Wort kommt harmlos daher, beschreibt es doch vor allem das »Sichern von Dingen«, die man nicht verlieren will. Was ja nicht schlecht ist. Menschen jedoch werden damit verdinglicht (das Gegenteil von Personifizierung). Vor allem aber wird verschleiert, dass die Verurteilung zum Freiheitsentzug sich ins Endlose dehnt, denn sie tritt erst nach Ablauf der eigentlichen Strafe ein. Besonders perfide ist die Sicherungsverwahrung, weil bei ihr gesichert und verwahrt wird, was gleich zwei Mal eine solche Verdinglichung darstellt, denn nur Gegenstände können gesichert werden. Darüberhinaus ist der Begriff ein Pleonasmus, weil die Verwahrung schon eine Sicherung ist. Übrigens, aber das nur nebenbei, wurde die Verwahrung einst tatsächlich mit Bezug auf Personen verwendet. Dann aber hatte sie die Bedeutung »(ver-)pflegen« oder »für etwas sorgen« und meinte nicht »auf unbestimmte Zeit wegsperren«.
V-Mann
Umgangssprachliche Abkürzung, eigentlich Vertrauensperson, manchmal auch Verbindungsperson (V-Person). Bezeichnet Kriminelle, die bereit sind, dem Staat, insbesondere dem → Verfassungsschutz , nützliche Informationen zu überlassen oder wenigstens so zu tun. Als Gegenleistung erhalten sie Geld. Worauf sich das Vertrauen in dieser Wortkonstruktion bezieht, ist nicht ganz klar. Möglicherweise darauf, dass die Angeheuerten Menschen sind, denen vertraut werden kann. Angesichts diverser Fälle, in denen die Spitzel ihre Geldgeber belogen und täuschten, oder andere gar noch zu Taten anstifteten, statt sie nur auszuspähen, sind daran allerdings Zweifel angebracht. Weshalb das Erstglied des Kompositums wohl eher bedeutet, dass die Geheimdienstler darauf vertrauen müssen, irgendetwas zu erfahren, was ihnen bei der Bekämpfung der Kriminalität nützt. Oder dass sie darauf vertrauen, dass mit ihrem Geld keine neuen Verbrechen begangen werden. Weshalb es sich möglicherweise um eine Antiphrase handelt, also vor allem die Tatsache verschwiegen werden soll, dass diesen Spitzeln besser nicht vertraut werden sollte. Dass der Wunsch groß ist, das Verfahren sauberer aussehen zu lassen, als es wahrscheinlich ist, zeigt auch eine andere Wortkonstruktion: Wenn mal wieder etwas schief gegangen ist, wird gern gefordert, die V-Leute nun abzuziehen. Was nahelegen soll, dass sie ordentliche Staatsangestellte oder gar Soldaten sind, die einfach woandershin versetzt werden können. Sind sie aber nicht. Sie sind Kriminelle, und niemand kann sie abziehen. Man kann nur aufhören, ihnen Geld zu geben.
Vorratsdatenspeicherung
Vorräte sollen, angelegt in guten Zeiten, dazu dienen, auch in schlechten überleben zu können. Vorräte zu besitzen, gilt nicht nur als notwendig, sondern als vorausschauend und klug. Die Vorratsdatenspeicherung legt nahe, dass es nützlich ist, Vorräte an irgendwelchen nicht näher bezeichneten Daten zu haben. Nützlich ist es tatsächlich, allerdings nur für Polizei und Staatsanwaltschaften. Bürger werden durch das Anlegen dieser Vorräte unter Generalverdacht gestellt, da all ihre Kommunikationsdaten ohne Anlass und ohne konkreten Verdacht mitgeschnitten und für sechs Monate aufbewahrt werden. Dank des flächendeckenden und genau aus diesem Grund vom Bundesverfassungsgericht gestoppten Einsatzes der Vorratsdatenspeicherung werden Kommunikationsstrukturen rekonstruierbar und bis dahin verborgene Beziehungsmuster sichtbar. Die Vorratsdatenspeicherung ist somit ein Euphemismus, eine Beschönigung eines eher nicht so schönen Sachverhalts. Die sprachliche Täuschung ist offensichtlich beabsichtigt. Nachdem der Begriff Vorratsdatenspeicherung in der öffentlichen Debatte mehr und mehr zu einem negativen Ausdruck wurde, wird das Verfahren
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