Sprengkraft
elektronische Innenleben, bis er entschied, ein buntes, daumennagelgroßes Stück Platine zu entfernen, das an zwei kurzen Drähten hing.
Er richtete den Detektor erneut auf den Hörer und drehte den Regler in Normalstellung: Tack-tack-tack – die Wanze war eliminiert.
Moritz untersuchte den Rest des Raums. Kein weiteres Aufheulen. Er steckte das Hörergehäuse wieder zusammen und hob das Teil ans Ohr.
Freizeichen – er hatte den Apparat nicht ruiniert. Ihm fiel ein Stein vom Herzen.
Moritz betrachtete die kleine Wanze, die nun von dem Draht getrennt war, der sie mit Energie versorgt hatte. Laut Henning mussten sich in maximal zwei Kilometern Entfernung ein Empfänger nebst angeschlossenem Rekorder befinden.
Moritz öffnete seine Zimmertür und lugte hinaus.
Aus einem Büro am Ende des Gangs tönte Norbert Stills Stimme herüber, der lautstark in holprigem Französisch telefonierte. Es ging um Stills Lieblingsprojekt, den Kongress gegen die Islamisierung, und um die Teilnahme des Vorsitzenden des Front National.
Schluss damit, sagte sich Moritz und überprüfte den Sitz der schwarzen Gedenkschleife an seinem Revers.
64.
Veller verband Erinnerungen mit Oberbilk. In dem Stadtteil südöstlich des Hauptbahnhofs hatte er nach der Trennung seiner Eltern einige Jahre seiner Kindheit verbracht, nicht weit entfernt vom Stahlwerk, das damals noch hier gestanden hatte. Die Industrie war längst Bürogebäuden gewichen: Volkshochschule, Stadtbücherei, Finanz- und Arbeitsgericht. In das Malocherviertel waren Migranten gezogen. Die Hausbesitzer knöpften ihnen Miete ab, ohne in die maroden Gemäuer zu investieren. Auf den Plätzen lungerten Fixer, seit die Drogenszene vom Bahnhof vertrieben worden war.
Dreißigtausend Menschen lebten hier auf vier Quadratkilometern, jeder dritte von ihnen galt als Ausländer. Klein-Marokko war das Gebiet um die Eller Straße, das Türkenkarree schloss sich im Osten an. Etwa dazwischen befand sich die Moschee des marokkanischen Kulturvereins.
Veller las die E-Mail, die er vom Landesamt für zentrale Polizeidienste empfangen hatte. Die Funkwabe, die der Duisburger Kollege ermittelt hatte, umfasste rund siebzig Wohnhäuser, mehr als eintausendfünfhundert Bewohner.
Am Montag, 16. März, waren dort kurz vor Mitternacht 652 Mobiltelefone eingeschaltet gewesen. Ein Wust an Nummern und Namen.
Veller druckte sie aus, um sie mit den Listen zu vergleichen, die seine Ermittlungsgruppe bislang erstellt hatte – die Kontaktpersonen der drei Islamisten Abderrafi Diouri, Said Boussoufa und Yassin alias Dennis Scholl.
Veller holte Dombrowski hinzu und sie lasen sich gegenseitig die Namen vor.
652 Namen – und eine Übereinstimmung.
Veller spürte, wie Adrenalin durch seine Adern pulste.
Er griff zum Telefon.
Der LKA-Direktor kam in Vellers Büro geeilt. Abteilungsleiter Meerhoff folgte – vor Aufregung hatte der Mann Schluckauf bekommen. Veller stellte die Telefonverbindung nach Karlsruhe her und aktivierte die Mithörfunktion seiner Anlage.
Die Generalbundesanwältin war ebenfalls ganz aus dem Häuschen. »Ich kümmere mich darum«, versprach sie. »Bleiben Sie so lange dran?«
Dann war es still, während in Karlsruhe auf einer anderen Leitung telefoniert wurde.
Es klopfte, Anna Winkler platzte herein.
»Störe ich?«, fragte sie mit irritiertem Blick auf Vellers Vorgesetzte.
Veller machte sie mit Meerhoff und dem Behördenleiter bekannt, dann fragte er: »Etwas gefunden?«
»Nichts«, antwortete Anna. »Die Akten sind frisiert. Ich bin mir sicher, dass da nicht bloß ein paar Namen geschwärzt wurden.«
»Hast du konkrete Anhaltspunkte dafür?«
»Yassins Verpflichtungserklärung datiert von Ende 2005. Zu dieser Zeit arbeitete er noch in Noureddine Diouris Bisnes. Doch in den Akten fehlt jeglicher Hinweis darauf. Entweder hat der V-Mann-Führer unterschlagen, was Yassin beruflich so trieb, oder seine Aufzeichnungen sind nachträglich manipuliert worden.«
Veller nickte. Die beiden Chefs starrten wieder auf das Telefon, das aber stumm blieb.
Anna fragte: »Gibt’s etwas Neues?«
»Der vierte Mann«, erklärte Veller. »Es ist Yassins V-Mann-Führer.«
»Michael Winner?«
»Genau der. Wer auch immer sich hinter dem Namen verbirgt.«
Endlich gab der Lautsprecher ein Scharren von sich, als würde in Karlsruhe ein Stuhl verschoben, und die Generalbundesanwältin fragte: »Sind Sie noch dran?«
Der LKA-Direktor neigte sich zur Telefonanlage
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