Sprengkraft
Augen. Anna ließ sich den Ausweis des zweiten Parteiheinis zeigen. Moritz Lemke, wohnhaft in Köln. Ende vierzig, sauber gescheitelt. Dunkelblauer Anzug, gestreifte Krawatte – Politikeruniform.
»Herbeiführung einer …«, stotterte Lemke. »Meinen Sie die Bombe vom Montagabend? Das muss ein Irrtum sein. Die Freiheitlichen haben jedenfalls nichts mit dem zu tun, was Sie Herrn Still vorwerfen!«
»Ist das Stills Büro?«
»Nein, das unserer verstorbenen Vorsitzenden, Carola Ott. Herr Still hat es lediglich ein paarmal benutzt.«
Anna sagte: »Wir haben einen Durchsuchungsbeschluss.«
»Bitte«, antwortete Lemke und breitete die Arme aus. »Tun Sie, was Sie tun müssen. Die Unterstützung der Freiheitlichen ist Ihnen gewiss. Herr Still hat hier nur rein ehrenamtlich gearbeitet. Und schauen Sie, er hat mit seinen Geheimdienstmethoden auch unsere Partei geschädigt.« Er zeigte Anna ein kleines Elektronikteil, dann hielt er es ihrem LKA-Kollegen unter die Nase.
Paul steckte es in eine Beweismitteltüte, die dafür viel zu groß war.
»Norbert Stills Machenschaften richteten sich also auch gegen uns.« Moritz Lemke zeigte ein Autoverkäuferlächeln und wiederholte: »Mit der Bombe hat die Partei nichts zu tun!«
»Das wird sich zeigen«, antwortete Anna.
66.
Norbert Stills Einfamilienhaus befand sich in Hösel, einem Ortsteil im Norden der Nachbarstadt Ratingen, ruhig am Waldrand gelegen. Recht groß für einen allein lebenden Mann, dachte Veller. Stills Frau hatte schon vor Jahren das Weite gesucht.
Als Veller eintraf, hatten Bisping und seine Tatortleute das Haus bereits auf Sprengstoff durchsucht, aber nichts gefunden – weder Eurodyn 2000 noch etwas Selbstgebasteltes, auch keine Zünder oder Sprengfallen.
»Aber schau dir mal den Keller an«, sagte Bisping und machte sich vom Acker.
Veller stieg die steile Treppe hinunter. Eine schwere Stahltür, dahinter eine Schleuse. Durch die nächste Tür gelangte Veller in eine Einliegerwohnung der spartanischen Art: Spind und Pritsche, Bad, Behelfsküche. Die Regale der Abstellkammer bogen sich unter der Last eines Konservenvorrats, mit dem ein Mensch vermutlich Jahre überleben konnte. Zuerst tippte Veller auf ein Verlies, das Still für ein Entführungsopfer vorgesehen hatte, doch dann stieß er auf einen Schrank mit allerlei Gewehren und Handfeuerwaffen. Hinter der letzten Tür befand sich ein Maschinenraum – Veller las Messanzeigen und Beschilderungen: Klimaanlage, Luftfilter, Wasseraufbereitung und Notstromaggregat.
Eine Festung für Still selbst, dachte Veller. Ein Bunker, in den der Geheimdienstmann ein Vermögen investiert hatte, um eine Seuche oder einen Atomkrieg überleben zu können.
Veller kehrte zurück nach oben und stieß auf den Hundeführer, den er aus Düsseldorf angefordert hatte. Der Köter zerrte nervös an der Leine.
»Die Tatortgruppe hat zwar nichts gefunden«, erläuterte Veller, »aber wir wollen nichts unversucht lassen. Der Bewohner dieses Hauses steht unter Verdacht, die Bombe von Montagnacht gezündet zu haben. Vielleicht hat er sie auch selbst präpariert, womöglich hier im Haus.«
Der Beamte nickte und ließ den Sprengstoffspürhund von der Leine. Das Tier und sein Halter verschwanden im Keller.
Veller schaute sich in den oberirdischen Wohnräumen um. Möbel im Stil der Achtziger, viel Messing und schwarzer Glanzlack. Im ersten Stock die Schlafräume. Einer davon war zu einem Lagerraum umgebaut worden. Regale bis zur Decke an drei Wänden, eine Sammlung diverser Datenträger, beschriftet mit Datum und Bezeichnungen, die Veller auf den ersten Blick nichts sagten.
Er erinnerte sich an die Wanze, die der Parteisprecher ihm ausgehändigt hatte. Es würde Wochen dauern, das gesamte Material zu sichten.
Im Erdgeschoss traf Veller wieder auf den Uniformierten. Sein Hund lief rastlos hin und her, als suche er sein Lieblingsspielzeug.
»Und?«, fragte Veller.
»Der Waffenschrank da unten. Vermutlich ist eine der Pistolen nicht gut gereinigt worden und trägt noch Spuren von Pulver oder Schmauch.«
Veller beobachtete, wie der Hund am Couchtisch schnüffelte und auf dem Teppich scharrte. Plötzlich setzte sich das Tier und hielt völlig still.
»Brav, Hero, komm her!«
Der Vierbeiner gehorchte.
»Was bedeutet das?«, fragte Veller.
»Auf dem Tisch lag Sprengstoff.«
»Ich sehe nichts.«
»Ein paar Moleküle genügen. Hast ein feines Näschen, Hero, nicht wahr?« Er wandte sich wieder an
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