Sprich nicht darüber
dazu gebracht hatte, sich so schwach und hilflos zu fühlen. Constantin hatte es in eineinhalb Tagen geschafft. Und sie stand nicht kurz vor der Panik, sie war mittendrin. Ihr Leben kam ihr vor wie ein finsterer Tunnel, und Constantin trieb sie hinein wie ein beutelüsterner Jäger.
Im Handumdrehen hatte er ihren wunden Punkt erkannt. Wie unsäglich naiv von ihr, es mit einem so erfahrenen Liebhaber wie Constantin aufnehmen zu wollen. Und wie würde sie sich erst fühlen, wenn sie tatsächlich mit einem Mann schlief, der sie verachtete? Sollte sie wirklich nicht in der Lage sein, ihr körperliches Verlangen zu beherrschen?
Wenn er nur nicht so ekelhaft zu ihr wäre. Dieser arrogante Macho, der gerissene Schuft. Flittchen hatte er sie genannt – und sie hatte sich genauso benommen. Ein Spielzeug, mit dem er nach Lust und Laune verfahren konnte. Sie hatte zwar ein-, zweimal die Oberhand gewonnen, aber diese Siege waren schlussendlich zu teuer erkauft.
Warum hatte Anton sie nie gewarnt, dass Constantin dermaßen einschüchternd, ja unberechenbar sein konnte? Dass in den eleganten Maßanzügen ein leidenschaftlicher Beutejäger steckte, dessen Instinkte nur auf Macht und Unterwerfung ausgerichtet waren?
Und dann die anderen Frauen in seinem Leben … Louise, seine Geliebte. Sie hatte zwar keine gefühlsmäßige Bindung, war aber rachsüchtig genug, um ihm mit seiner Ehefrau die Hölle auf Erden zu wünschen. Oder die schöne italienische Schauspielerin Cinzia Borzone, angeblich seine wahre Liebe – was war mit der? Rosie schämte sich mehr und mehr für ihr schamloses, hemmungsloses Verhalten. Constantin kannte offenbar keine moralischen Skrupel. Und sie wäre um ein Haar auf seine unwiderstehliche erotische Ausstrahlung hereingefallen.
Allmählich musste sie den Verstand gebrauchen, der ihr gegeben war. Was zwang sie eigentlich, in Griechenland zu bleiben? Warum sollte sie sich eine zweite unerfreuliche Begegnung mit Thespina antun? Constantin brauchte nur zu erklären, dass seine Braut ihn plötzlich verlassen hatte. Er konnte sogar den Auftritt mit Louise ins Feld führen. Und weg war die junge Ehefrau.
Aber wohin? Rosie musste nicht lange überlegen. Sie würde nach Son Fontanal auf Mallorca fahren, bevor Constantin das Haus wieder verkaufte.
Eine Stunde später kletterte Rosie mit dem Rucksack auf dem Rücken vom Balkon vor ihrem Zimmer. Sie machte einen kleinen Umweg über die Regenrinne, um die knorrigen Kletterpflanzen an der Hauswand zu erreichen, dann sprang sie leichtfüßig wie eine Katze hinunter auf die Terrasse. In beängstigender Nähe bellte ein Hund. Rosie rannte durch den Garten, wobei sie Haken schlug und Deckung suchte wie ein Berufseinbrecher. Jetzt vernahm sie mehrere Hunde, ihr Adrenalinpegel schoss in die Höhe. Als sie an die Grundstücksmauer kam, heulte eine Sirene los, und ein Mann tauchte aus dem Dunkel auf.
Rosie hetzte auf die Mauer zu. Der Mann verstellte ihr den Weg. Sie wollte ihm gerade vors Schienbein treten, da hustete er, und sie erkannte ihn. “Takis!”
Takis erstarrte. Er traute seinen Augen nicht.
“Bitte, Takis, lass mich gehen”, bat sie. Die Hunde kamen näher.
Ohne zu zögern, machte Takis eine Räuberleiter für sie, sodass sie über die drei Meter hohe Mauer kam. Inzwischen jaulte ein weiteres Alarmsystem zusammen mit der Sirene. Rosie kam auf der anderen Seite herunter, überquerte die Straße und huschte in die Büsche. Ein Polizeiwagen mit Blaulicht raste heran und bremste quietschend, bevor das Tor sich automatisch öffnete. Rosie rannte die Straße hinunter. Lass dich einpökeln, Rambo, dachte sie hoch befriedigt. Aber Constantin sollte Takis wirklich einen anderen Job geben, der Junge war für einen Leibwächter zu gutherzig.
Aber was kümmerte sie das? Sie würde aus Constantins Leben verschwinden, und das so schnell wie möglich. Und zwar für immer.
“Wo zum Teufel bist du?” röhrte Maurice ins Telefon.
Rosie hielt den Hörer weg von ihrem Ohr. “Auf Mallorca.”
“Mallorca? Himmel, was treibst du da? Constantin war hier, er war außer sich! Rosie, du hättest dem armen Kerl wenigstens eine Nachricht hinterlassen sollen, er …”
“Seit wann hast du Mitleid mit Constantin?” unterbrach sie ihn wütend.
“Seit ich ihn hier erlebt habe”, erwiderte Maurice. “Ich habe genug von dir und Constantin, wie ihr um den Erdball jagt wie die Verrückten. Als er hier auftauchte, hatte er deinetwegen die gesamte griechische Polizei alarmiert.
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