Spring in den Himmel
lernen könntest.«
Alexander sagte nichts. Er rührte in seiner Teetasse. Jamina fand das Schweigen unerträglich.
»Aber ist klar, dass das nicht geht, solange du im Abi-Stress bist. Vielleicht danach?«
Alexander antwortete immer noch nicht. Jamina setzte nach.
»Obwohl … vielleicht willst du dann erst mal deine Ruhe und wegfahren …«
Jetzt sah er sie direkt an. »Hat Yoyo dir erzählt, dass wir uns zufällig getroffen haben?«
»Wirklich? Wo denn?«
»Im Englischen Garten. Sie lag auf einer Parkbank und pennte.«
»Warum hast du das nicht gleich gesagt?«
»Tu ich doch jetzt.« Er klang gereizt, dann winkte er ab. »Ist ja auch unwichtig.«
Sie saßen sich gegenüber, fast wie Fremde. Jaminasuchte ein Thema, sie ertrug dieses Schweigen nicht mehr.
»Wir haben noch nie drüber gesprochen, was nach dem Abi ist.«
»Das liegt daran, dass ich noch keine Ahnung habe, was ich machen möchte.«
»Willst du denn nicht studieren?«
»Doch, aber vielleicht nicht gleich.«
Schweigen. Die Uhr tickte. Der Opa schnarchte und im Fernsehen gestanden sich zwei ihre Liebe.
Ich habe noch nie jemanden so geliebt wie dich.
Ich werde jede Sekunde an dich denken.
Unwillkürlich dachte Jamina an einen Liebesfilm, den sie mal mit Yoyo gesehen hatte. Wie Yoyo einzelne Dialoge mitgesprochen hatte, wie sie darüber gelacht hatten.
Sie würde ihm so gerne sagen, dass er anders war als sonst und dass ihr das wehtat. Aber wenn sie ihn fragte, ob alles okay war zwischen ihnen …
»Schau mich nicht so traurig an«, sagte Alexander. »Es ist alles in Ordnung.«
»Du meinst, ich bilde mir nur ein, dass du heute anders bist?«
Er nickte nur und sah ihr dabei nicht in die Augen.
Jamina stand enttäuscht auf. »Ich glaub, ich geh jetzt besser.«
»Sei doch nicht gekränkt, nur weil ich nicht so gut drauf bin.« Endlich nahm Alexander sie in den Arm. »Das wird besser, wenn ich wieder mehr Zeit habe.«
»Deine Freunde fahren bestimmt nach dem Abi zusammen weg, vielleicht willst du mit …«
Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme heiser klang. Sie spürte die Angst, dass Alexander aus ihrem Leben verschwinden könnte, für Tage, Wochen, Monate …
»Wir könnten doch gemeinsam wegfahren, wenn du Ferien hast.«
Jamina traute ihren Ohren nicht. Sie lächelte erleichtert. Endlich küssten sie sich.
»Weißt du, dass du etwas ganz Besonderes bist?«, fragte er.
»Ich bin hoffentlich völlig normal«, versuchte Jamina einen Scherz.
Fast hörte sie nicht, was Alexander ihr antwortete, so leise und stimmlos sagte er: »Ich glaub, ich hab dich gar nicht verdient.«
Yoyo lag auf dem Bett und hörte Musik. Sie öffnete nicht einmal die Augen, als Jamina hereinkam.
»Geht's dir wieder schlechter?«, fragte Jamina besorgt.
»Hier hat euch Rafik erwischt?«, fragte Yoyo zurück und richtete sich ruckartig auf.
Jamina verschlug es für einen Moment den Atem. »Er hat gepetzt!«
»Hallo? Was heißt hier petzen? Er hat mir was erzählt, okay. Aber das ist nur deshalb blöd, weil du ein Geheimnis draus gemacht hast.«
»Ich hab dich doch seitdem gar nicht mehr gesehen.«
»Red dich nicht raus.«
»Du hast mir auch nicht gesagt, dass du Alexander getroffen hast.«
»Ist das jetzt die Retourkutsche, ja?«
»Er hat es nur grade erwähnt …«
»Ach, ihr treibt es jetzt auf der Couch von dem Alten?«
»Hör auf!« Das war ihr richtig laut rausgerutscht.
Was hatte Yoyo auf einmal? Es war doch gar nichts Schlimmes passiert. War sie jetzt doch eifersüchtig oder musste Jamina ihr jedes Detail ihres Liebeslebens erzählen? Jamina erkannte ihre Freundin überhaupt nicht wieder.
Yoyo stand auf und stellte sich ganz nah vor Jamina, sah ihr in die Augen. Jamina roch ihr Parfum und einen Hauch von Zigaretten.
»Schrei – mich – nie – wieder – an.«
Sie sagte es ganz, ganz leise. Und doch ging es Jamina durch Mark und Bein. Sie trat einen Schritt zurück, um sich dieser unheimlichen Nähe zu entziehen. Doch Yoyo ließ nicht locker, kam nach.
»Das ist also jetzt die große Liebe, oder?«
»Für mich schon«, antwortete Jamina trotzig.
»Herzlichen Glückwunsch, dann brauchst du ja keine Freundin mehr.«
Jamina wollte antworten, doch Yoyo ging einfach aus dem Zimmer.
Beim Abendessen erzählte Rafik, dass Yoyo ihm bei den Hausaufgaben geholfen hatte. »Weil Jamina bei Opa Kamke war.«
»Kommt denn von seiner Familie niemand mehr?«, fragte die Mutter.
Yoyo guckte erstaunt. »Aber Alexander ist doch oft bei ihm
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