Spürst du den Todeshauch: Thriller (German Edition)
habe ich alles dir vermacht, unter anderem natürlich meinen zehnprozentigen Anteil am Unternehmen.
Ich hoffe, dass dieser Brief wirklich nur von dir gelesen wird, denn ich möchte dich warnen: Ich traue Dad nicht. Er gibt zu viel Geld aus und ist immer nur auf sich bedacht. Sollte mir irgendetwas zustoßen, dann sorge dafür, dass Richard Rose, Wirtschaftsprüfer und Arbeitskollege von mir, sich die Geschäftsbücher vornimmt. Ich will nicht, dass du übers Ohr gehauen wirst.
Ich kann nicht verstehen, warum Doug die Augen vor der Wirklichkeit verschließt, außer er hofft auf finanziellen Gewinn für sich, wenn er den Betrieb in den Bankrott treibt, was dann aber auf Kosten der Angestellten geht. Die Antiquitäten im Museum gehören zu achtzig Prozent ihm, zu jeweils zehn Prozent dir und mir, und sie gehören nicht zum Betriebsvermögen.
Ich weiß, du warst immer froh, dass ich unsere Interessen am Unternehmen vertreten habe, aber jetzt musst du dich selbst darum kümmern.
Ich hoffe, du musst das erst in fünfzig Jahren oder so lesen.
Ich liebe dich, meine kleine Schwester,
Kate
Mit Tränen in den Augen legte Hannah den Brief in den Umschlag zurück und verschloss ihn. Dann zögerte sie. Ich muss mich den Tatsachen stellen, sagte sie sich. Was, wenn Kate nicht mehr gesund wird? Wer wird dann für sie sorgen? Ich traue es Dad durchaus zu, dass er hier herumschnüffelt und sich ihre persönlichen Unterlagen ansieht. Ich glaube zwar nicht, dass er einen Schlüssel hat, aber der Pförtner dürfte ihn sehr wahrscheinlich bereitwillig hereinlassen.
Sie nahm den Umschlag an sich. Wenn Kate wieder gesund ist, lege ich ihn sofort zurück, dachte Hannah, aber bis dahin ist er bei mir besser aufgehoben. Sie kannte auch die Kombination für Kates kleinen Safe, der sich an einer Wand im Schrank befand. Sie öffnete ihn und nahm Kates Schmuck aus den einzelnen Schatullen. Ihre Mutter hatte sämtlichen Schmuck testamentarisch ihren Töchtern vermacht, auszuhändigen bei Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres. Kate besaß Ringe, Hals- und Armbänder von beträchtlichem Wert. Jeder, der wusste, dass die Wohnung für längere Zeit leer stehen würde, konnte eine Möglichkeit finden, sich Zugang zu verschaffen. Hannah wusste, dass solche kleinen Safes für Profis leichte Beute waren.
Sie verbot sich den Gedanken, dass möglicherweise ihr Vater aufgrund seiner horrenden Ausgaben Ansprüche auf den Schmuck anmelden könnte. Hannah gab den Brief und den Schmuck in ihre große Schultertasche, bevor sie in das zweite, von Kate als Arbeitszimmer benutzte Zimmer ging.
In dem Raum stand eine Schlafcouch, ein bequemer Sessel, ein Couchtisch und ein Sechzig-Zoll-Fernseher. Nach einem langen Tag im Büro versank Kate gern in ihrem Lieblingssessel, entspannte sich und nahm beim Fernsehen noch ein spätes Abendessen zu sich. Hoffentlich kommt sie bald wieder nach Hause, dachte Hannah, während ihr wieder Tränen in die Augen traten.
Als Letztes sah sie sich in der Küche um. Sie suchte nach der Telefonnummer von Kates Putzfrau Marina, die alle vierzehn Tage vorbeischaute, um ihr aufzutragen, die verderblichen Lebensmittel aus dem Kühlschrank zu nehmen. Sie fand die Nummer auf dem Kühlschrank, rief gleich an, und nachdem Marina meinte, sie würde erst wieder am nächsten Donnerstag kommen, warf Hannah selbst einen Blick in den Kühlschrank und vergewisserte sich, dass nichts verschimmelt oder am Verfaulen war. Ihre letzte Sorge galt der großblättrigen Pflanze auf dem Fensterbrett. In den vier Tagen, in denen niemand mehr hier gewesen war, waren die Blätter schon ganz welk geworden.
Auch etwas, wovon ich keine Ahnung habe, dachte Hannah. Kate hat einen grünen Daumen. Ich muss eine Pflanze nur anschauen, schon geht sie ein. In diesem Augenblick klingelte das Telefon in der Küche. Hannah ging ran. Es war der Pförtner. »Ms. Connelly«, sagte er, »ein Mr. Justin Kramer ist hier. Er hat die Wohnung an Ihre Schwester verkauft und fragt jetzt an, wie er Sie erreichen kann. Ich habe ihm gesagt, dass Sie gerade hier sind. Er hat Ihrer Schwester zum Einzug eine Pflanze geschenkt und wollte anbieten, sich so lange um sie zu kümmern, bis Ihre Schwester wieder nach Hause kommt.«
Bis sie wieder nach Hause kommt! Worte, die Hannah nur allzu gern aus dem Mund eines anderen Menschen hören wollte.
»Schicken Sie Mr. Kramer bitte hoch«, sagte sie.
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H annah gefiel sofort, was sie zu sehen bekam, als Justin Kramer die Wohnung
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