Spürst du den Todeshauch: Thriller (German Edition)
die sich auf die Reparatur von Möbeln verlegt hatte. Wir waren beide zwanzig, als wir geheiratet haben. Er hat dabei einen geliehenen Anzug getragen.«
Sie lächelte versonnen. »Sehen Sie, deshalb hat Gus oft einen so störrischen oder gar herrischen Eindruck vermittelt. Es war ihm eben in die Wiege gelegt worden. Er stammte aus einer Adelsfamilie.«
»Mrs. Schmidt, das ist absolut faszinierend«, sagte Frank Ramsey. »Aber was hat das alles damit zu tun, dass Gus Ihrer Tochter vor fünf Jahren ein sehr teures Haus und dazu eine Leibrente geschenkt hat, um die laufenden Kosten zu decken?«
»Wie Sie sicherlich wissen, gibt es Organisationen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, von den Nazis gestohlene Güter und Vermögen aufzuspüren. Ich weiß, dass Gus vor Jahren mit ihnen in Kontakt stand. Mehr kann ich Ihnen dazu allerdings nicht sagen. Er hat, wie gesagt, nur sehr ungern von seinem Leben vor der Auslöschung seiner Familie erzählt. Er hat unter dem Verlust einfach zu sehr gelitten. Vor fünf Jahren aber hat er erwähnt, dass er endlich etwas von einer dieser Organisationen gehört habe. Es sei eine Vereinbarung mit dem gegenwärtigen Besitzer eines Gemäldes getroffen worden, das nachweislich Gus’ Familie gehört hatte. Der neue Besitzer bot einen angemessenen Preis, vorausgesetzt, sein Name werde nicht öffentlich gemacht. Gus ließ sich darauf ein. Mehr hat er mir dazu nie erzählt. Aber daher stammt das Geld, mit dem er Gretchen das Haus gekauft hat. Er hat Geld für ein Gemälde bekommen, das von Rechts wegen ihm gehört hat, und aus diesem Grund bitte ich Sie, dass Sie jetzt gehen und endlich aufhören, aus Augustus Wilhelm von Müller II. einen Dieb zu machen.
Ich weiß, Sie halten ihn für einen Brandstifter«, sagte Lottie aufgebracht, erhob sich und schob ihren Stuhl zurück. »Reicht Ihnen das nicht?«
Schweigend folgten sie ihr zur Tür. Als sie draußen waren, hörten sie, wie sie die Tür schloss und verriegelte.
Sie sahen sich in der einfallenden Abenddämmerung nur schweigend an, schließlich klingelte Franks Handy. Es war ein Detective aus dem Polizeibezirk des Connelly-Betriebsgeländes. »Frank, wir haben gerade eine Meldung vom Connelly-Gelände bekommen. Auf dem Parkplatz dort ist der Boden eingebrochen, und in der Grube ist ein Skelett gefunden worden. Muss also schon seit geraumer Zeit dort liegen. Wahrscheinlich eine Frau. Um den Hals hat sie jedenfalls eine Kette mit dem Namen Tracey. Man vermutet, dass es sich um Tracey Sloane handelt, eine junge Schauspielerin, die vor achtundzwanzig Jahren verschwunden ist.«
»Wir fahren sofort hin«, sagte Frank. Er beendete das Gespräch, sah zu Nathan und berichtete ihm von dem unglaublichen Fund. Beide eilten zum Wagen. Als Frank den Motor anließ, sagte Nathan: »Hotchkiss galt seit fast vierzig Jahren als vermisst. Könnte es sein, dass er sich schon damals auf dem Gelände aufgehalten hat, als diese Tracey Sloane verschwunden ist?«
»Keine Ahnung«, antwortete Frank. »Aber wenn es so war, dann dürfte es verdammt schwer zu beweisen sein.«
72
J ustin und Hannah saßen am Tisch in ihrem kleinen Esszimmer. Sie hatten sich gerade die köstliche Auswahl an chinesischen Speisen schmecken lassen, die Justin mitgebracht hatte, und lasen sich gegenseitig ihre Glückskekse vor. Justin faltete den schmalen Zettel auf. »Das Jahr der Schlange bringt viel Glück«, las er.
Er ging mit seinem Smartphone kurz online und erfuhr, dass das Jahr der Schlange in noch nicht einmal zwei Monaten beginnen würde.
Hannahs Weissagung war weniger eindeutig. »Weisheit kommt zu jenen, deren Geist offen ist für die Wahrheit … Hübsche Worte ohne großen Inhalt«, sagte sie lachend. »Dein Spruch wäre mir lieber gewesen.«
»Wir haben noch mehr. Willst du es noch mal versuchen? Oder ich teile meinen Spruch mit dir.«
Sie lächelten sich an. Beiden war bewusst, dass sich hier etwas zwischen ihnen anbahnte, was beiden sehr gefiel. Beim Essen hatte Justin von sich erzählt. »Meine Mutter kommt aus der Bronx, mein Vater aus Brooklyn. Sie haben sich auf der Columbia kennengelernt. Nach ihrer Heirat sind sie dann nach Princeton gegangen, meine Mutter unterrichtet dort englische Literatur, und mein Vater ist Dekan der philosophischen Fakultät. Ich habe noch eine jüngere Schwester, die ist Ärztin am Hackensack Hospital.«
Hannah entging nicht sein lebhafter Gesichtsausdruck, während er erzählte, und sie spürte, dass Justin eine normale,
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