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Spuren des Todes (German Edition)

Spuren des Todes (German Edition)

Titel: Spuren des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith O'Higgins , Fred Sellin
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erinnerte sich, dass sie vor ihrer Trennung einen gemeinsamen Trip nach Paris geplant hatten, und suchte nach entsprechenden Flug- und Hotelangeboten. Als er sie mit dem Vorschlag überraschte, schien sie nicht einmal abgeneigt. Mit ihm in die Stadt der Liebe? Sofort ginge das nicht, aber vielleicht später, soll sie gemeint haben. Durch diese Reaktion ermutigt, schlug er ihr auch gleich vor, man könne doch gemeinsam eine Oper besuchen oder eine Ballettaufführung. Damit wollte er ihr beweisen, dass er sich geändert hatte. Als sie noch zusammen waren, konnte sie ihn selbst mit Bitten und Betteln nicht bewegen, sich ein klassisches Konzert oder gar ein Ballett mit ihr anzusehen.
    Christiane Wellbrinck soll sich über seinen Sinneswandel gefreut haben, wenn man den Äußerungen Perlotts Glauben schenken konnte. Ob sie der Wahrheit entsprachen? Schwer zu sagen. Durchaus denkbar, dass sie ihm etwas vorspielte – um Zeit zu gewinnen, oder auch aus Angst, er könnte sich etwas antun, in dem psychisch labilen Zustand, in dem er sich befand. Das dürfte ihr kaum verborgen geblieben sein.
    Trotzdem sind das nur Vermutungen. Nicht einmal vor Gericht konnte mit Sicherheit geklärt werden, wie es sich tatsächlich zutrug. Im Urteil findet sich deshalb die Formulierung: »vorgenommene Wahrunterstellung«. Die Richter gingen also – ohne dass es einen Beweis gab – davon aus, dass es so gewesen sein könnte –
in dubio pro reo
sozusagen.
    Eine solche Wahrunterstellung spielte dann auch eine Rolle, als es im Prozess um die letzten Stunden vor der Tat und um die Tat selbst ging. An Mike Perlotts Täterschaft bestand kein Zweifel, er hatte wie gesagt ein Geständnis abgelegt, von dem wich er auch nicht ab. Die Frage war allerdings: Stimmte sein Geständnis? Stimmte es in allen Details?
    Da es keine Tatzeugen gab, war das Gericht auf Perlotts Schilderungen angewiesen, auf die Ermittlungsergebnisse der Kriminalbeamten – und auf unsere Erkenntnisse nach der Tatortbesichtigung und der Obduktion des Opfers. Da ich beides durchgeführt hatte, wurde ich vom Gericht als Sachverständige geladen. Die wichtigste Frage, die ich helfen sollte zu klären, lautete sinngemäß: Ist es anhand ihrer Verletzungen und der Auffindesituation der Leiche vorstellbar, dass Christiane Wellbrinck während eines Streits getötet wurde?
    Nach Perlotts Version sollte sich Folgendes zugetragen haben: Wie am Vortag verabredet, stand er an dem Abend punktgenau um neunzehn Uhr vor ihrer Wohnung. Angeblich in bester Stimmung, weil die letzten Treffen zwischen ihnen überaus harmonisch verlaufen waren, aber wohl auch, weil er sich seit dem Nachmittag einige Dosen Bier genehmigt hatte. Die beiden machten einen Spaziergang durch das Viertel und holten sich an einer Imbissbude jeder einen Döner, er zahlte. Nach ungefähr einer Stunde beendeten sie ihre Runde, steuerten Christiane Wellbrincks Wohnung an, öffneten dort in der Küche eine Flasche Rotwein und machten es sich auf der Couch im Wohnzimmer gemütlich. Sie sprachen wieder über gemeinsame Urlaubspläne. Irgendwann schaltete Christiane Wellbrinck das Radio ein. Eine Zeitlang dudelte es nebenher, dann standen sie auf und tanzten miteinander, eng umschlungen wie ein Liebespaar. Perlott meinte, sie seien schon auf der Couch zärtlich zueinander gewesen, mit Händchenhalten und so. Beim Tanzen wagte er den nächsten Vorstoß: Er küsste sie – und sie ließ es geschehen. Irgendwann landeten sie im Bett.
    Genau an diesem Punkt ging es um besagte Wahrunterstellung. Perlott sagte aus, Christiane Wellbrinck hätte ihm die gleiche Leidenschaft entgegengebracht wie er ihr. Zum ersten Mal seit der Trennung sei sie einverstanden gewesen, mit ihm zu schlafen. Sie habe lediglich darauf bestanden, dass er ein Kondom benutzte, was er auch tat.
    Allerdings dauerte das Vergnügen für ihn nicht lange, und für sie war es vermutlich gar keins. Urplötzlich drückte sie ihn von sich weg und wand sich unter seinem Körper hervor. Ohne dass er sich ihren abrupten Sinneswandel habe erklären können, sei die Stimmung innerhalb von Sekunden umgeschlagen. Sie habe ihn angeschrien und mit wüsten Beschimpfungen attackiert. Ein regelrechter Ausbruch sei das gewesen, so aufbrausend habe er sie vorher noch nie erlebt. Und auch nicht so verletzend.
    So weit war vorstellbar, was er erzählte. Vielleicht hatte sie Mitleid mit ihm gehabt. Vielleicht hatte sie die Zärtlichkeiten aber auch genossen, zumindest am Anfang. Und

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