Spuren im Nichts
hier an.«
Solly legte den Helm ab und schälte sich aus seinem Druckanzug. Dann setzte er sich, um die Magnetstiefel auszuziehen.
Der Sensormast waberte erneut.
»Ham, halte die Aufnahme an«, sagte Kim.
Solly runzelte die Stirn. Sie wiederholten die Szene mehrere Male. Dann zeigte sie ihm die Sequenz in der Luftschleuse, und sie beobachteten, wie die Kontrollleuchte dunkler und wieder hell wurde, während das Paneel zu flimmern begann. Es schien sich ein wenig zu verkrümmen und wurde dabei dunkler, als wäre etwas davor vorbeigegangen – als hätte sich der Raum auf irgendeine undefinierbare Weise verändert.
»Passieren solche Dinge normalerweise im Hyperraum?«, fragte sie und starrte auf den Schirm.
»Nein.« Er schaltete auf die Kamera am Bug, spulte die Aufnahme zurück, und sie beobachteten das gesamte Szenario aus einer anderen Perspektive.
Der Sensormast befand sich im Vordergrund. Solly war dahinter. Und diesmal war es Solly, der flimmerte!
»Ich verstehe das nicht«, murmelte er.
Kims Herz pochte heftig. »Ich auch nicht. Aber es jagt mir Angst ein, Solly.«
Als sie Emily vorsichtig aus dem Overall schälten, sahen sie, dass irgendetwas sie in Höhe des Bauchnabels beinahe in zwei Teile zerschnitten hatte. Das Fleisch sah verbrannt aus, doch es war keine Spur von Blut zu erkennen.
»Sie haben sie gewaschen, bevor sie sie aus der Luftschleuse gestoßen haben«, sagte Solly, während er ein Laken über den verstümmelten Leichnam deckte.
»Was mag ihr nur zugestoßen sein?«, fragte Kim.
»Vielleicht ein Laser?«, mutmaßte Solly unsicher.
Sie legten die Leiche in den Container zurück, und Kim sagte sich immer wieder, dass sie jetzt wenigstens wusste, was aus ihrer Schwester geworden war. Aber es bedeutete keinen Trost.
Die Analyse der Aufzeichnungen lieferte keinen weiteren Hinweis auf das, was draußen vor dem Sensormast oder in der Luftschleuse geschehen war. Vielleicht nur eine optische Täuschung oder ein paar Störungen im Raum-Zeit-Kontinuum. Schließlich war Solly draußen, außerhalb des Schiffs gewesen. Vielleicht gab es im Hyperraum Nebenwirkungen, wenn man die Luftschleuse eines Schiffs öffnete – sie fanden jedenfalls keine bessere Erklärung. Also verdrängten sie den Zwischenfall aus ihren Gedanken, so gut es ging, und kehrten zur normalen Bordroutine zurück.
Als die nächsten Tage ohne Störung vergingen, vergaßen sie die Geschichte.
Ihre Unterhaltungen drehten sich immer mehr um den Empfang, den man ihnen bereiten würde, wenn sie erst nach Greenway zurückgekehrt waren. Polizei oder Festparade? Kim war unerschütterlich optimistisch. Man kann schließlich nicht ausgerechnet diejenigen verdammen, die eine der drängendsten Fragen der Wissenschaft und der Philosophie beantwortet haben, oder? Solly, der schon länger im Institut arbeitete als sie, vermutete hingegen, dass Agostino durch ihren Erfolg eher noch wütender reagieren würde. »Wir mögen vielleicht für die Nachwelt von Bedeutung sein«, sagte er, »aber unsere Zeitgenossen sehen das möglicherweise anders. Erinnerst du dich, wie es Columbus ergangen ist?«
»Wie denn?«
»Er starb in einem spanischen Gefängnis.«
Andererseits, dachte Kim, konnte man ruhigen Gewissens davon ausgehen, dass Agostino alles aus ihrem Abenteuer herausschlagen würde, was irgendwie herauszuschlagen war. Er würde es so darstellen, als wäre es von Anfang an ein Projekt des Instituts gewesen und seine persönliche Initiative. Solange sie mitspielten, wären ihre Karrieren gesichert, das stand fest.
Kims Interesse an der Wissenschaft war im Allgemeinen eher selbstlos, angetrieben von dem Wunsch, die Grenzen des Wissens weiter nach draußen zu schieben und Teil der kollektiven Anstrengung zu sein. Sie hatte diese Mission nicht für sich allein unternommen, doch sie verspürte auch einen Widerwillen bei dem Gedanken, dass irgendjemand anderes sich mit ihren Lorbeeren schmücken könnte, insbesondere nach allem, was sie zum Erreichen ihres Ziels durchgemacht hatte.
Fünf Nächte nach ihrem Aufbruch aus dem Alnitak-System stand Kim zum Abendessen unter der Dusche. Sie war ganz in diesen und ähnlichen Gedanken versunken.
Da nur zwei Leute an Bord waren, gab es keine Notwendigkeit, die Wasservorräte einzuschränken. Sie hatte gerade die Haare gewaschen und trocknete sich mit einem Handtuch das Gesicht ab, als sie mit geschlossenen Augen eine Bewegung im Waschraum zu spüren glaubte.
»Solly?«, fragte sie.
Er hatte
Weitere Kostenlose Bücher