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Sputnik Sweetheart

Sputnik Sweetheart

Titel: Sputnik Sweetheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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melierten Haarschopf, den er mit einer billig riechenden Pomade vergeblich im Zaum zu halten versuchte. Der Aschenbecher vor ihm quoll über von Seven-Star-Kippen. Als ich den Raum betrat, nahm er seine schwarz gerahmte Brille ab, putzte sie mit einem Tuch und setzte sie wieder auf. Das schien seine Art zu sein, Fremde zu begrüßen. Ohne die Brille wirkten seine Augen kalt wie Mondgestein. Als er sie wieder aufsetzte, verschwand die Kälte und eine unbezwingbare Starre trat an ihre Stelle. Kein Blick jedenfalls, der dazu angetan war, andere Menschen zu beruhigen.
    Trotz des offenen Fensters herrschte eine furchtbare Hitze im Raum, denn kein Lüftchen gelangte hinein, obwohl der Straßenlärm damit keinerlei Schwierigkeiten hatte. Die Luftdruckbremse eines Lasters, der an der Ampel hielt, erinnerte mich an den Tenor des alten Ben Webster. Alle schwitzten. Mit einem knappen Gruß trat ich an den Schreibtisch und überreichte dem Wachmann meine Visitenkarte. Er nahm sie wortlos entgegen und starrte mit zusammengepressten Lippen darauf. Dann legte er die Karte auf seinen Schreibtisch, hob den Kopf und sah mich an.
    »Sie wirken sehr jung für einen Lehrer«, sagte er. »Wie lange sind Sie denn bereits an der Schule?«
    »Das dritte Jahr«, erwiderte ich nach kurzem Nachdenken.
    »Hmm«, machte er. Mehr sagte er nicht, aber sein Schweigen sprach Bände. Wieder nahm er meine Visitenkarte zur Hand und sah auf meinen Namen, als würde er etwas überprüfen.
    »Mein Name ist Nakamura, und ich bin der Leiter des Sicherheitsdienstes«, stellte er sich vor. Er gab mir keine Visitenkarte. »Nehmen Sie sich doch einfach einen Stuhl von da drüben. Tut mir leid, dass es hier drin so heiß ist. Die Klimaanlage ist kaputt, und am Sonntag kriegt man niemanden, der sie repariert. Einen Ventilator bewilligen sie mir auch nicht, also muss ich mich hier halbtot schwitzen. Ziehen Sie doch Ihr Jackett aus, wenn Ihnen warm ist. Es wird wohl ein Weilchen dauern, und mir wird schon heiß, wenn ich Sie nur ansehe.«
    Ich nahm mir den Stuhl und zog das Jackett aus. Mein Hemd klebte schweißnass an meinem Körper.
    »Wissen Sie, ich habe Lehrer immer um ihren Beruf beneidet«, sagte der Wachmann. Ein karges Lächeln umspielte seine Lippen. Die Augen hinter den Gläsern durchbohrten mich wie die eines Seeungeheuers, das jede Bewegung seines Opfers belauert. Seine Worte waren höflich, aber das war nur die Oberfläche. Das Wort »Lehrer« klang aus seinem Mund wie eine unverhohlene Beleidigung.
    »Man hat über einen Monat Sommerferien, keinen Nachtdienst, sonntags frei und bekommt eine Menge Geschenke. Nichts dagegen zu sagen. Im Nachhinein bereue ich es, dass ich in der Schule nicht fleißiger war und Lehrer geworden bin. Aber das Schicksal hat es anders gewollt, und jetzt bin ich Wachmann in einem Supermarkt. Wahrscheinlich, weil ich dumm bin. Aber meinen Kindern rate ich immer wieder: Werdet Lehrer. Da kann einer sagen, was er will, Lehrer ist am besten.«
     
    Meine Freundin trug ein schlichtes blaues Kleid mit kurzen Ärmeln. Ihre Haare waren hochgesteckt, und sie trug kleine Ohrringe. Sie hatte weiße hochhackige Sandalen an. Auf ihrem Schoß lagen eine weiße Handtasche und ein kleines cremefarbenes Taschentuch. Es war das erste Mal, dass ich sie seit meiner Reise nach Griechenland sah. Sie sagte nichts, und der Blick ihrer vom Weinen geschwollenen Augen wanderte zwischen mir und dem Wachmann hin und her. Man sah ihr ihren Kummer an.
    Ich wechselte einen kurzen Blick mit ihr, dann sah ich den Jungen an. Er hieß Shin’ichi Nimura, aber seine Klassenkameraden nannten ihn »Rübe«. Sein langes schmales Gesicht und sein zu Berge stehender Haarschopf erinnerten tatsächlich ein wenig an eine Rübe, und meist nannte ich ihn auch so. Er war ein artiger Junge, der nie mehr redete, als nötig war. Er hatte gute Noten, vergaß nie die Hausaufgaben und drückte sich nie vorm Aufräumen. Eigentlich ein sehr pflegeleichtes Kind. Andererseits meldete er sich im Unterricht so gut wie nie von sich aus und zeigte keinerlei Initiative. Er war zwar nicht unbeliebt, aber auch nicht gerade beliebt. Aus den genannten Gründen war seine Mutter ein bisschen unzufrieden mit ihm, aber als Lehrer fand ich ihn ganz in Ordnung.
     
    »Ich nehme an, seine Mutter hat Ihnen am Telefon gesagt, worum es geht«, sagte der Wachmann.
    »Ja«, sagte ich. »Ladendiebstahl.«
    »Genau«, sagte der Wachmann und hob einen Pappkarton, der zu seinen Füßen stand, auf den

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