ST - Die Welten von DS9 2: Andor - Paradigma
Gottheiten oder nichtlineare Wesen außerhalb der normalen Raumzeit waren. Was aber zählte, war, wie sehr sie sich um die Bajoraner sorgten – genug, um in den Lauf der Ereignisse einzugreifen und sicherzustellen, dass Bajor weiter gedieh. Wo waren Andors Götter? Wenn jemand himmlische Gnade benötigte, dann ja wohl die Andorianer.
»Wie kommt es, dass Rückwärtsgehen Fortschritt bedeutet?«, unterbrach Prynn seine Gedanken.
Shar drehte den Kopf zu ihr und bemerkte ein herausforderndes Funkeln in ihren Augen. Er gesellte sich näher zu Thia, sodass sie zu dritt nebeneinander gehen konnten.
»Falls du damit sagen willst, der Glaube sei ein Rückschritt«, begann Thia, »bin ich nicht deiner Ansicht.«
»Das meine ich auch gar nicht. Doch von außen betrachtet, scheint mir dieses ganze Zusammenzwingen von Bündnissen zum Zwecke des Eins-Seins nicht sonderlich gut zu funktionieren.«
»Ehrlich gesagt, Ensign, hätte ich von einer Sternenflottenoffizierin erwartet, dass sie sich über Kulturen, die sie nicht versteht, kein vorschnelles Urteil erlaubt.« Prynn wollte etwas erwidern, aber Thia sprach einfach weiter. »Wir gehen vorbestimmte Bündnisse ein, um unsere aktuelle Lage zu meistern und weil wir keine Alternative wissen. Wir Andorianer sind nicht länger fähig, den Fortbestand unserer Spezies durch normal entstehenden Nachwuchs zu sichern. Im gesamten Universum zählen wir kaum noch neunzig Millionen und waren einst drei Milliarden stark. Es gab eine Zeit, in der unsere Zahl größer und es weit einfacher war, Kinder zu kriegen. Eine Zeit, in der sich Bündnisse ohne Zwang fanden und wir aus freiem Willen Eins wurden, nicht aus Not. Wir hoffen auf die Wiederkehr dieser Zustände, doch damit das geschieht, müssen wir in die Zukunft investieren.«
»Indem ihr die Gegenwart opfert«, sagte Prynn.
Thia blieb stehen und sah sie an. »Wie bitte?«
»Ihr verkauft euer Hier und Jetzt für die Hoffnung auf ein Morgen.«
Inzwischen war die ganze Gruppe stehen geblieben. Thia sah kurz zu Shar, dann wieder zu Prynn. »Wir kämpfen ums Überleben.«
»Nein, und das hast du selbst gesagt: Ihr kämpft um die Zukunft. Ihr
bezahlt
sie mit eurem Leben. Ihr habt eure Gesellschaft umstrukturiert, weil ihr glaubt, eure oberste Pflicht sei das Überleben eurer Spezies. Ihr verschreibt euch von Kindesbeinen an diesem Glauben. Eure Kinder halten es für ihre oberste Pflicht, weitere Kinder zu zeugen. Und um dies zu können, erzieht man sie zu den bestmöglichen Partnern, Liebhabern und Eltern – zu Wesen, die das Bündnis wollen. Wesen, die Bündnispartner lieben, die sie nicht einmal selbst wählen durften.«
Thia hob das Kinn. »Wir akzeptieren unsere Pflichten und erfüllen sie mit Freuden.«
»Na ja, die meisten von euch. Doch diese Kulturdenke lässt euch wenig Spielraum, richtig? Eine einzige Gesundheitskrise oder ein Todesfall – ach was, eine Gegenstimme genügt schon –
vor
der Zeugung eines Kindes, und schon sind vier Leben gleichzeitig zerstört. Dann ist das, was ihr als euren größten Lebenszweck kennengelernt habt, Geschichte – es sei denn, ihr findet schnellstens einen bündnisfreien Fremden mit dem richtigen Genprofil, um die Lücke zu füllen. Ich schätze, dieses Glück bleibt den meisten zerbrochenen Bündnissen verwehrt. Ein kaputtes Glied in der Kette, aus welchem Grund auch immer, und alles bricht zusammen.«
»Das genügt, Prynn«, sagte Matthias.
»Wie kannst du es wagen?«, zischte Thia. »Was erdreistest du dich, uns zu beurteilen? Du, deren Spezies sich nie mit einer solchen Krise, mit solchen Entscheidungen konfrontiert sah.«
»Ich urteile nicht«, sagte Prynn sanft. »Ich stelle nur ein System in Frage, das meiner Ansicht nach unerforschte Situationen erzeugt. Vielleicht erkauft ihr euch tatsächlich die Zeit, die ihr braucht. Nach dem, was ich bisher gesehen habe – und erfuhr, seit ich Shar kenne und hierherkam – frage ich mich allerdings, ob eure Anstrengungen euch nicht innerlich auffressen. Kein Wunder, dass euer Volk als gewalttätig verschrien ist. Bei dem ganzen Druck, den ihr euch macht, diesem lebenslangen und selbsterzeugten Stress, ist es erstaunlich, dass ihr nicht alle selbstmordgefährdet seid.«
Die Worte hatten ihren Mund kaum verlassen, da sah Shar, wie leid sie ihr taten. Prynn wünschte sich, sie könne sie zurücknehmen, und sah ihn aus großen, flehenden Augen an. »Oh Mann, ich … Entschuldigung … Shar, ich …«
Gefasst trat er auf sie zu. »Denkst
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