St. Leger 03 - Die Nacht der Feuerfrau
Verstand verloren, dachte Val, und schwärzester Zorn brandete in ihm auf - wie ein Ungeheuer, das man von der Kette lässt.
»Du kannst nur eines für mich tun: Halte dich von mir fern!«
Der Arzt kehrte seinem Bruder den Rücken zu und lief den Strand hinunter. Er hoffte, dass Lance genug Einsicht hatte, ihm diesmal nicht zu folgen. Als er sich eine Minute später umdrehte, zog sein Bruder gerade mit hängenden Schultern ab. Val fühlte gewaltigen Triumph in sich und hätte am liebsten laut gelacht...
Doch da mischte sich Bestürzung in seine unbändige Freude. Was hatte er nur getan? Sich seinem Bruder noch mehr entfremdet.
Er sah Lance hinterher und wäre am liebsten zu ihm gelaufen, um ihm alles zu erzählen. Das, was sich an Halloween zugetragen hatte, was zwischen Rafe Mortmain und ihm geschehen war, und von dem Kristallsplitter. Schließlich war Lance sein Bruder.
Und als Erstes nimmt Lance dir dann die Halskette ab. Er nimmt dir deine Macht und deine Gesundheit. Und zum Schluss nimmt er dir auch noch Kate weg. Willst du das? »Nein!«, schwor sich Valentine und umschloss besitzergreifend den Stein an seinem Hals. Mit einem Gefühl der Verlorenheit lief er weiter.
Als er das Schieferhaus erreichte, war er vollkommen durchgefroren. Er musste sich am Gartentor festhalten, da ihn schon wieder ein Hustenanfall schüttelte. Was fehlte ihm bloß? Bei jedem anderen hätte er Schwindsucht diagnostiziert. Aber bei dem Husten handelte es sich um etwas anderes.
Die gleiche Schwärze breitete sich in seinem Innern aus, die schon Rafe gespürt hatte.
»Val!«
Ein Ruf aus einiger Entfernung. Im ersten Moment hoffte der Arzt, sein Bruder sei gekommen. Doch als er sich umdrehte, sah er Kate herb eirennen und den alten Jem Spar kins weit hinter sich lassen.
Erleichtert ließ der Arzt das Gartentor los und breitete die Arme weit aus. Sie warf sich hinein, und beide bedeckten einander mit Küssen.
»Val, ist mit dir alles in Ordnung? Jem berichtete mir, du hättest dich mit Reeve geschlagen ... Was ist denn mit deinen Händen?«
Zum ersten Mal entdeckte er seine geschwollenen Knöchel und das Blut, das von Trewithan stammen musste. Etwas Nasses fiel auf eine seiner Wunden und brannte darin. Kate hielt seine Hand und weinte um ihn. Valentine wäre einen Moment später zusammengebrochen, wenn Kate und Sparkins, der gerade hinzutrat, ihn nicht aufgefangen hätten.
Der Arzt ließ sich zum Sessel in seiner Bibliothek bringen und weigerte sich, ins Bett getragen zu werden. Kate wagte nicht, ihm zu widersprechen. Zum ersten Mal spürte sie, dass sie Angst vor Val hatte. So sanft wie möglich rieb sie seine Hände mit einer Salbe ein. Aber er schien überhaupt nichts zu spüren. Und wenn man ihm in die Augen sah, konnte man den Eindruck gewinnen, er glitte in eine andere, eine dunkle Welt hinüber. Jem erschien mit der Brandyflasche, und die junge Frau hielt Val ein gefülltes Glas an die Lippen. »Trink das.«
Er nahm nur einen winzigen Schluck und betrachtete dann mit einem Lächeln seine verbundene Hand. Aber der gequälte Ausdruck in seinen Augen brachte Kate beinahe um den Verstand.
Als sie ihm ein paar Haare aus der Stirn strich, zog er sie auf seinen Schoss. Kate schmiegte sich an ihn und hoffte, einen der guten Momente von früher zu erleben, wenn sie sich in seinen starken Armen geborgen gefühlt hatte. Aber das schien in einem anderen Leben gewesen zu sein. So viel war in der letzten Zeit geschehen - und für alles war sie verantwortlich.
Höchste Zeit, dass sie den Zauberbann aufhob und Val freigab.
»Val, du siehst so erschöpft aus. Den ganzen Tag bist du herumgeritten. Ich weiß nicht einmal, wo du gewesen bist.«
»Im verlorenen Land.«
»Auf dem Besitz der Mortmains? Val, du hast mir immer aufgetragen, mich von dort fern zu halten. Was hat dich denn dorthin geführt?«
»Das weiß ich jetzt auch nicht mehr so genau. Wahrscheinlich habe ich nach Antworten gesucht.« »Aber du weißt doch schon alles über diese Sippschaft! Vor allem über Rafe Mortmain, den Schlimmsten von allen. Erst stiehlt er euer Familienschwert, und dann bringt er dich auch noch fast um!«
»Vielleicht litt er solche Schmerzen, dass er gar nicht anders konnte ... weil er furchtbar krank war.« Kate sah ihn irritiert an und fühlte ihm die Stirn. Val lachte rau. »Du glaubst, ich spreche im Fieberwahn? Womöglich hast du Recht. Aber in letzter Zeit stelle ich alles in Frage.«
Er wirkte so gehetzt und traurig, dass sie ihn
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