St. Leger 03 - Die Nacht der Feuerfrau
Gefühl, in der Falle zu sitzen und eingesperrt zu sein. Dann bekam sie ein beklemmendes Gefühl in der Brust, so als würde jemand ihre Lungenflügel zusammendrücken.
Aber woher wusste der Fremde das? Fast hätte sie glauben mögen, er sei in ihren Kopf gestiegen, spaziere darin herum und könne sie daher viel besser verstehen als alle anderen Menschen. Ein unangenehmes Gefühl, und sie legte rasch schützend die Arme um sich. Die hastige Bewegung erinnerte sie wieder an die Schmerzen in der Faust.
»Was ist denn mit Euch? Habt Ihr Euch verletzt?« Trotz seiner Freundlichkeit passten die braunen Augen sehr gut auf, ihnen entging wirklich nichts.
Das Mädchen zuckte nur die Schultern. »Ach, das ist nichts. Ich habe mir nur die Knöchel aufgeschürft, als ich diesem Klotzkopf von Postillion ein Ding verpassen musste.«
»Lasst mich doch bitte mal sehen.« Der Fremde beugte sich vor. Kate rutschte von ihm fort und stellte alle Stacheln auf. »Geht schon in Ordnung«, beruhigte er sie, »ich lasse mich gerade zum Arzt ausbilden und kann etwas Übung gut gebrauchen.«
Das Mädchen hätte sich am liebsten noch weiter von ihm entfernt und ihn aufgefordert, sich zum Teufel zu scheren. Aber irgendwie konnte sie das nicht. Das musste etwas mit seinen Augen zu tun haben, die so warm wie ein Feuer an einem kalten Winterabend leuchteten. Zu ihrer eigenen Überraschung hielt sie ihm plötzlich die Hand hin, ballte sie aber zur Faust. Er nahm sie in seine Hand und betastete sie behutsam, bis Katie die Faust öffnete. Dann umschloss er ihre Hand mit seiner viel größeren. Das Mädchen sah ihn irritiert an. Was für eine Art Arzt wollte er denn werden? Er tat nichts anderes, als ihre Hand festzuhalten ... Eigentlich hätte sie sich jetzt losreißen müssen, aber sie fühlte sich im dunklen Licht seiner Augen gefangen. Die zogen sie mehr und mehr zu sich heran, bis sich etwas Merkwürdiges tat: Die Schmerzen in ihren Fingerknöcheln vergingen und machten einer Wärme Platz, die sich in ihrem ganzen Körper ausbreitete. Als er ihre Hand endlich freigab, hatten sich die Schürfwunden zwar noch nicht geschlossen, aber sie schmerzten nicht mehr. Dafür rieb der junge Mann seine eigene Rechte, so als sei er es gewesen, der dem Postillon eine verpasst hatte.
Katie betrachtete erst ihre Finger und dann ihn. »Wie habt Ihr das gemacht?«
»Mit Zauberei«, antwortete er und zog bedeutungsvoll die Brauen hoch.
Das Mädchen hatte zwar alle Formen von Übersinnlichem noch nie für bare Münze genommen, aber bei diesem Mann hier war sie fast versucht, ihm zu glauben. »Seid Ihr denn ein Magier oder Hexenmeister?« »Nein, nur der Urururenkel von einem.« Seine braunen Augen lachten. Wahrscheinlich zog er sie auf, aber das machte ihr nicht das Geringste aus. Als der Mann diesmal seine Hand ausstreckte, um ihre zu nehmen, wich sie nicht mehr vor ihm zurück.
»Miss Katherine, vermutlich empfindet Ihr mich als unverschämt, weil wir uns ja erst so kurz kennen. Doch ich hoffe, dass Ihr mir gestattet, Euch einen Rat zu geben. Vielleicht gefällt es Euch hier in Torrecombe ja wirklich nicht, und dann wollt Ihr tatsächlich weglaufen. Doch es empfiehlt sich nie, eine so schwerwiegende Entscheidung zu treffen, wenn man müde und erschöpft ist. Zufällig weiß ich, dass Effies Koch ein großartiges Dinner mit Roastbeef zubereitet hat. Ich würde mich sehr geehrt fühlen, wenn Ihr mich ins Haus begleitet und Euch zusammen mit mir den Braten munden ließet.«
Die bloße Erwähnung einer Mahlzeit brachte Katies Magen zum Knurren. »Mit Kartoffeln und Gemüse?«, erkundigte sie sich vorsichtig. »Das möchte ich doch annehmen.« »Und auch Kuchen zum Nachtisch?« »Wenn der fehlen sollte, ziehe ich mir persönlich eine Schürze an und backe einen, das gelobe ich.«
Das Mädchen konnte das Lächeln nicht länger zurückhalten. Aber erst musste noch etwas für sie herausspringen. Ihr Blick fiel auf den Gehstock mit dem schmucken Griff, der ihr schon von Anfang an ins Auge gestochen war. »Gestattet Ihr mir, den da auszuprobieren?« Eine solche Bitte schien den Zaubererurenkel zunächst zu verwundern, aber dann nickte er. »Wenn Ihr das wünscht, aber ich fürchte, Ihr werdet ihn nicht allzu unterhaltsam finden.«
Weil es ihm selbst ganz genauso ging, schoss es dem Mädchen in plötzlicher Einsicht durch den Kopf. Wie sie war auch er es gewohnt, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
Im Grunde hätte sie jetzt nachgeben können, aber ein
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