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St. Leger 03 - Die Nacht der Feuerfrau

St. Leger 03 - Die Nacht der Feuerfrau

Titel: St. Leger 03 - Die Nacht der Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie ihn nur an und fühlte sich zwischen neugierigem Erstaunen und Argwohn hin-und hergerissen.
    Offenbar hielt er ihr Schweigen für Zustimmung, denn er schob einen Gehstock mit Elfenbeingriff in die Kutsche und traf Anstalten, den Wagen zu besteigen. Katie zuckte zurück und streckte die Fingernägel aus. Bei der kleinsten falschen Bewegung hätte sie ihm das Gesicht zerkratzt. Aber der Fremde schien vollauf damit beschäftigt zu sein, überhaupt in die Kutsche zu kommen. Dabei wirkte er wie ein gesunder und kräftiger junger Mann. Warum fielen ihm solche einfachen Betätigungen so schwer?
    Nach ein paar Momenten erkannte sie, dass es sich bei ihm wohl nicht um einen dieser Dandys aus London handelte, die überall herumstolzierten und aus purer Angabe einen Gehstock schwangen.
    Der Fremde schien tatsächlich auf den Stock angewiesen zu sein, denn sein eines Bein wirkte steif und bereitete ihm offensichtlich Pein. Als er sich endlich auf die Sitzbank hatte fallen lassen, atmete er erleichtert aus. Katie folgte dem allen mit atemloser Spannung. Wie hatte der junge Mann es angestellt, sein Bein so schwer zu verletzen? Doch dann riss sie sich zusammen und erinnerte sich daran, dass sie das nun wirklich nichts anging. Und ehrlich gesagt, es interessierte sie keinen Pfifferling. Als er die Kutschentür hinter sich schloss und sie sich ganz allein mit ihm im Wagen befand, kehrte sofort ihre
    Angst zurück. Sie befürchtete, die Kutsche würde gleich wieder anrollen und weiterfahren. »Was habt Ihr mit mir vor?«, herrschte sie ihn mit schriller Stimme an. »Wollt Ihr mich irgendwohin verschleppen, oder was?«
    Er verzog die Lippen. Ein eigenartiges Lächeln, das kaum mehr als den halben Mund ertasste und eher traurig wirkte.
    »Nein, ich möchte nur mit Euch reden.« Mit ihr reden? Niemals redete jemand mit ihr. Entweder wurde sie angeschrien oder es gab gleich etwas hinter die Ohren. Und wenn es sich bei dem Betreffenden um einen Mann handelte, so durfte man dem erst recht nicht trauen. Katie hatte oft genug erlebt, wie es den älteren Mädchen erging, wenn die Waisenhausmutter spät in der Nacht einige ihrer »Freunde« einließ.
    Einige dieser Gentlemen hatten auch mit eigenartigem Blick in ihre Richtung geschaut. Katie hatte schnell gelernt, dass es sicherer für sie war, wenn sie jünger erschien.
    Das Mädchen kroch von dem Fremden fort und zog die Knie bis an die Brust, um so klein wie nur irgend möglich zu wirken. Hinter dem Vorhang ihres Haars beobachtete sie den Mann genau und versuchte ihn einzuschätzen. Sie hatte bereits in genug fremde Taschen gegriffen, um mit wenigen Blicken entscheiden zu können, ob sie einen reichen oder einen armen Mann vor sich hatte. Und der hier war nicht arm, ganz gewiss nicht. Sein Gehrock und seine Weste waren aus bestem Tuch angefertigt - sahen lediglich zerknittert aus, so als habe er darin geschlafen. Sein Binder drohte jeden Moment aufzugehen, und einen seiner Ärmel zierte ein Tintenklecks. Katie hatte bereits herausgefunden, dass sie keinen Stutzer vor sich hatte. Aber bei ihm schien es sich auch nicht um einen Kaufmannssohn oder einen Beamten zu handeln. Als was, um alles in der Welt, hatte sie sich ihn dann vorzustellen?
    Das Mädchen schob ein paar Haarsträhnen beiseite, um einen besseren Blick auf ihn werfen zu können. Zu ihrer Verwunderung tat er es ihr gleich. Seine Handbewegungen erschienen ihr wie ein Spiegelbild ihres eigenen Tuns.
    Wieder lächelte der Fremde, aber noch mehr nahmen sie seine Augen gefangen. Mit ihrem warmen und tiefen Braun erinnerten sie Katie an schmelzende Schokolade, die sie einmal in einer Konditorei stibitzt hatte. Seltsamerweise verspürte sie den Wunsch, ihn ebenfalls anzulächeln.
    Zur Sicherheit setzte sie ihre finsterste Miene auf. »Wer seid Ihr überhaupt, verdammt noch mal?« »Ein Freund Eurer Adoptivmutter.« Ein Freund? Katie rümpfte misstrauisch die Nase. Sie hatte bereits genug vom Leben gesehen, um zu wissen, dass Männer und Frauen niemals nur Freunde sein konnten. Der hier sah auch entschieden zu jung aus, um Effies Liebhaber sein zu können. Zu jung und gleichzeitig dieser verrückten Alten an Weisheit und Reife himmelhoch überlegen.
    »Wer immer Ihr auch sein mögt, verduftet«, beschied sie ihn. »Ich will nicht reden, und einem solchen Riesentrottel wie Euch habe ich schon gar nichts zu sagen.« Das hatte ihn eigentlich dazu bewegen sollen, wutentbrannt die Kutsche zu verlassen. Aber stattdessen sah er sie

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