Staatsanwalt sucht Polizist
ließ den Damen den Vortritt. Lissy stand auf und machte ein paar Handbewegungen, die eindeutig zeigten, dass sie ein Kondom meint. Innerhalb von zwei Minuten hatten die Frauen den Kondomautomaten erraten. Wie einfallsreich! Hoffentlich gab es auch ein paar anspruchsvollere Begriffe zu erraten. Ich opferte mich für die Männer und zog unseren ersten Zettel.
„Lustmord“, las ich mit Schrecken. Also, nee! Das mache ich nicht. Ich mach mich doch nicht zum Idioten! Fünf Minuten später saß ich wieder schwitzend auf der Couch und fühlte mich wie ein Hampelmann. Bei Jürgens angedeutetem traurigen Gesichtsausdruck hatte ich mich des lieben Frieden willens gefügt und mitgespielt. Guter Gott! Jürgen und Klaus waren echt schon von Berufs wegen versaut. Auf jeder anderen Party wären wahrscheinlich Worte wie ‚Papageienfutter‘, ‚Mäusedreck‘ und ‚Affenzahn‘ gekommen, nur ich befand mich auf einer homosexuellen, juristisch verruchten Spielparty. Aus der Nummer kam ich jetzt nicht mehr raus. Nicht bei Jürgen!
Als wir endlich die Pantomime beendet hatten, atmete ich erleichtert aus. Allerdings hatte ich die Rechnung ohne Klaus und Jürgen gemacht. Die beiden hatten Nachholbedarf – immerhin vierzig Jahre – und ließen die Sau jetzt richtig raus. Es folgte doch tatsächlich das Kinderspiel ‚Wahrheit oder Pflicht‘! Heute war nicht mein Tag. Mamaaaa, hol mich hier raus!
„Ha, die Flasche zeigt endlich auf dich, Marten!“ Begeistert klatschte Jürgen in die Hände. Ich saß noch immer in Jürgens Wohnzimmer und sah den anderen beim ‚Wahrheit oder Pflicht‘-Flaschendrehen zu. Seit über einer Stunde quälten sich die Anwesenden mit Fragen und blödsinnigen Aufgaben, nur ich saß auf meinem Platz, nuckelte an meinem Wein und blieb verschont. Oje, die Flasche zeigte nun doch auf mich! Jetzt war ich fällig! Tapfer wartete ich auf die Dinge, die kommen sollten.
„Wahrheit oder Pflicht?“, fragte Jürgen.
„Wahrheit.“
„Also gut, erzähle uns von deinem ersten Mal … mit einem Mann!“
„Sag bloß, du hast auch Erfahrungen mit ‘ner Frau?“, fragte Kevin fast angewidert.
Entrüstet schnaubten die anwesenden Damen.
„Äh, ja, habe ich.“
Jürgen winkte ungeduldig ab. „Später, Kevin! Das war jetzt nicht die Frage. Heb sie dir auf!“
Mit leichter Schmolllippe zog sich Kevin zurück.
„Also gut“, begann ich und lächelte bei dem Gedanken an Séb. „Ich war in der zehnten Klasse. Mein bester Freund Jan hatte einen Freund aus Frankreich zu Besuch. Sébastien. Er war zwei Jahre älter als ich und sah einfach umwerfend aus. Da ich mit Jan im Unterricht immer zu viel Mist gemacht hatte, saßen wir uns gegenüber und Sébastien musste auf dem freien Platz neben mir sitzen. Gott, war der süß! Na ja, ein Franzose halt, mit supersüßem Akzent. In den zwei Wochen, die er in Deutschland war, haben wir viel zusammen unternommen, auch mal ohne Jan. Das war total angenehm und irgendwie habe ich gemerkt, dass ich mich in ihn verliebt hatte.“
„Und war er auch in dich verliebt?“, fragte Patrizia verträumt.
Ich grinste. „Vielleicht!“ Ich nahm einen Schluck Wein und ließ mir Zeit mit meiner Geschichte.
„Nun erzähl‘ schon weiter“, drängelte Klaus ungeduldig. Er liebte romantische Geschichten.
„Okay. Er ist dann wieder zurück nach Frankreich gefahren, aber wir haben den Kontakt gehalten. Wir haben uns alle zwei Wochen geschrieben. Irgendwann sagte ich ihm, ich wünschte, ich hätte einen großen Bruder wie ihn. Seitdem schrieben wir uns als kleiner und großer Bruder .“
„Ach, Gottchen! Wie süß ist das denn!“, rief Klaus begeistert und fächerte sich Luft zu.
Kevin musterte ihn argwöhnisch, aber das bemerkte Klaus gar nicht.
„Im Frühjahr darauf fragte er plötzlich, ob ich ihn nicht in den Sommerferien in der Bretagne besuchen wollte.“
„Natürlich wolltest du“, fieberte Jürgen mit.
Ich lächelte ihn vielsagend an.
„Ja. Und meine Eltern hatten auch nichts dagegen. Ich habe mein Geld zusammengekratzt und mir für vierhundertfünfundneunzig D-Mark ein Flugticket gekauft. Das war das erste Mal, dass ich nicht mit irgendeiner Jugendgruppe weggefahren bin, sondern allein.“ Ich kostete die Spannung im Raum aus und trank erneut einen Schluck Wein.
„Meine Eltern haben mich von Wilhelmshaven nach Bremen gefahren, von wo aus ich mit einem kleinen Propellerflugzeug nach Paris zum Charles de Gaulle geflogen bin. Mann, war ich aufgeregt. Ich hatte in
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