Staatsverschuldung
zusätzliche Güter, die im Inland verwendet werden können. Über ein Außenhandelsdefizit finanziert das Ausland in diesem Fall das Budgetdefizit des Staates.
Die vermögenstheoretische Kehrseite dieser Medaille besteht darin, dass auf diesem Weg die Verschuldung des Staates steigt, diesmal aber gegenüber dem Ausland. Bei einer Volkswirtschaft ohne Ausland hatten wir gesehen, dass es die inländischen Bürger sind, die dem Staat einen Teil ihrer Ersparnisse leihen. Jetzt sind es die ausländischen Bürger, die auf den Konsum eines Teils ihrer Produktion verzichten, diese an das Inland liefern, ohne im Gegenzug sofort Waren des Inlands zu erhalten. Auf diesem Weg leiht sich das Inland vom Ausland Güter um den Preis, dass es sich gegenüber dem Ausland verschuldet. In der Zukunft wird das Inland diese Auslandsverschuldung irgendwann abbauen müssen, indem es mehr exportiert als es importiert.
Diese externe Verschuldung führt auf der Vermögensseite dazu, dass sich die
Nettoauslandsposition
ändert. Die Nettoauslandsposition ist definiert als die Differenz zwischen den von Inländern im Ausland gehaltenen Vermögen und dem von Ausländern im Inland gehaltenen Vermögen. Importüberschüsse bzw. Außenhandelsdefizite führen zu einer Abnahme des im Ausland gehaltenen Vermögens von Inländern, Exportüberschüsse bewirken das Gegenteil.
Treten ein staatliches Budgetdefizit und ein Außenhandelsdefizit gleichzeitig auf in einem Land, so spricht man von
Doppeldefiziten (Twin deficits).
Ökonomisch kann das ein Zeichen für eine bedenkliche Entwicklung sein, da das Land sich im Ausland verschuldet hat (über das Außenhandelsdefizit) und ein Teil dieser Verschuldung der Finanzierung des Budgetdefizits dient. Als Paradebeispiel für ein solches Doppeldefizit werden die Vereinigten Staaten angeführt, die seit fast 20 Jahren mehr oder weniger sowohl ein Budgetdefizit als auch ein Außenhandelsdefizit aufweisen[ 32 ]. Seit 1991 ist die ehemals ausgeglichene Außenhandelsbilanz der USA beständig in die roten Zahlen gerutscht, zuletzt auf ein Defizit von rund sechs Prozent des Sozialprodukts. Darüber hinaus gelang es dem amerikanischen Staat nur zwischen 1998 und 2001, einen Budgetüberschuss zu erwirtschaften, in den übrigen Jahren wies der Haushalt der Vereinigten Staaten ein Budgetdefizit auf. Was diese Entwicklung noch bedenklicher macht ist, dass im gleichen Zeitraum die private Ersparnis ebenfalls zurückgegangen ist. Das bedeutet, dass die Güter aus dem Ausland, die das amerikanische Außenhandelsdefizit ausmachen, nicht nur die Zunahme der staatlichen Verschuldung finanzierten, sondern auch den Rückgang der Ersparnisbildung der privaten Haushalte.
Mit dieser Einordnung der Rolle der Staatsverschuldung in den Wirtschaftskreislauf eines Landes können wir nun die möglichen Folgen der Staatsverschuldung genauer untersuchen. Zunächst einmal geht es um die Frage, welche Folgen eine zunehmende Staatsverschuldung unmittelbar für das Wachstum und den Wohlstand eines Landes haben kann.
2. Wachstum und Wohlstand
Die bisherigen Überlegungen waren weniger analytisch als rein beschreibend, da sie lediglich zeigen, welche grundsätzlichen Beziehungen zwischen volkswirtschaftlichen Größen wie Sparen, Investieren und Staatsverschuldung bestehen. Man kann auch von einer buchhalterischen Saldenmechanik sprechen. Schwieriger wird es, wenn man nach den unmittelbaren Folgenvon Staatsverschuldung für eine Volkswirtschaft fragt – diese hängen von einer Vielzahl von Bedingungen und Begleitumständen ab. Im Folgenden zeigen wir die wichtigsten Ansätze zur Analyse der Wirkungen der Staatsverschuldung, die theoretisch relevant sind. Ob sie tatsächlich in dieser Form auftreten, hängt von den Begleitumständen ab, weswegen auch empirische Studien über Folgen von Staatsverschuldung zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können – je nachdem, welchen Zeitpunkt und welches Land die jeweilige Studie betrachtet, und welche sonstigen Umstände dort herrschten.
Ein erstes theoretisch fundiertes Konzept bezüglich der Folgen der Staatsverschuldung ist die
Ricardianische Äquivalenz,
die dem britischen Ökonomen David Ricardo (1772–1823) zugeschrieben wird. Die Grundidee besteht darin, dass jede Staatsverschuldung eines Tages inklusive Zinsen zurückgezahlt werden muss. Dies kann ein Staat letztlich nur über höhere Steuern finanzieren, wenn er beim bestehenden Steuerniveau ein Defizit aufweist, und außerdem kommen zu den
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