Stachel der Erinnerung
Bondischicht wählen. Er wählte Meldis. Damit erfüllte er seine Verpflichtungen und bekam trotzdem die Frau, die er liebte, Alva.“
Damit konnte Nick ebenfalls richtig liegen.
„Sie hatten also schon ein Verhältnis, lange bevor wir auf der Bildfläche auftauchten“, meinte Tessa nachdenklich. Sie dachte an die Blackouts während ihres ersten Aufenthalts. Bei genauerer Betrachtung standen sie alle in Zusammenhang mit Serre. Er war es gewesen, der sie nach der Feier am Stall abgepasst hatte. Vermutlich hatte sich Alva mit Meldis auf der Flucht zerstritten, weil sie zurück wollte zu Serre. Und als sie Kaldaks Hütte verlassen hatte und auf den Suchtrupp unter Serres Führung gestoßen war, hatte ebenfalls Alvas Bewusstsein das ihre überlagert. Weil die Kraft ihrer Liebe in diesem Moment stärker war als die mentale Kontrolle, die Tessa über Alva ausübte.
Serre konnte Alva nicht heiraten. Er hätte sie Meldis abkaufen können, aber so wie Tessa das Mädchen kennengelernt hatte, hätte die Kleine in diesen Vorschlag niemals eingewilligt. Eine Hochzeit zwischen Serre und Meldis dagegen wäre von allen erwünscht und gebilligt worden. Alva hätte nach einiger Zeit den Rang einer Konkubine einnehmen können, wenn es ihr wichtig gewesen wäre. Meldis wäre aus der vom Jarl befohlenen Verlobung niemals entkommen, so weit ging das Selbstbestimmungsrecht der Wikingerfrauen nicht. Serre hätte sie nicht schlecht behandelt, die beiden hätten sich arrangiert, wie es die meisten Eheleute taten. Aber dann war Kaldak aufgetaucht und der ganze schöne Plan ging den Bach hinunter.
Sie spielte Nicks Worte im Geist noch einmal durch. „Alva attackierte Meldis? Und was geschah dann? Mischte sich Kaldak ein? Wollte er ursprünglich Alva töten?“
Nick sah aus, als hätte er Zahnschmerzen, wie Tessa stirnrunzelnd feststellte. Sein Schweigen machte sie nervös. „Jetzt sag schon, was genau ist passiert?“
Er räusperte sich. „Ich hab darüber nachgedacht, warum ich zurückgegangen bin“, sagte er statt einer Antwort. „Ich sollte Kaldak töten, das war meine Aufgabe. Alva wollte so verzweifelt ihren Kopf durchsetzen, dass ihr Geist über Zeit und Raum triumphiert hat. Sie hat mich gerufen.“
„Aber warum ausgerechnet du?“
„Da kann ich nur raten. Weil außer Hendrik nur ein weiterer Mann am Tisch saß, nämlich ich. Und weil zwischen uns beiden etwas war, Tessa, eine Verbindung bestand. Von Anfang an.“
Sie sah ihn mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Unglauben an und er nutzte die Gelegenheit, um fortzufahren. „Aber ich konnte diese Aufgabe nicht erfüllen. Ich war zu schwach. Zu feige. Zu zivilisiert.“
„Und so lief alles ab wie beim ersten Mal“, setzte Tessa hinzu. „Aber es war nicht nur mein Fehler.“
„So ist es“, bestätigte Nick und ein Hauch von Erleichterung schwang in seinen Worten mit.
Tessa runzelte die Stirn. Irgendetwas passte nicht zusammen, aber sie wusste nicht, was. Also schwieg sie.
Sie standen sich gegenüber und sahen sich an. Tessas Anspannung glitt von ihr ab. „Und jetzt?“
„Jetzt sind nur mehr wir beide übrig“, sagte er ruhig. „Mein Angebot steht noch immer.“
„Das Angebot hast du Alva gemacht“, berichtigte sie ihn, aber er schüttelte den Kopf.
„Nein. Und das weißt du auch. Ich habe immer nur dich gesehen, wenn ich Alva angesehen habe.“ Er trat auf sie zu und blieb knapp vor ihr stehen – ohne sie jedoch zu berühren. Jedes Härchen an ihrem Körper richtete sich erwartungsvoll auf und sie wurde rot, vom Kopf bis zu den Zehen.
„Du musst das nicht machen, nur weil du von meinen Problemen weißt“, murmelte sie unsicher. „Mir geht es wirklich prima. Ich klammere mich nicht an dich, ehrlich nicht. Du musst dir keine Sorgen machen, dass ich mich ins Eismeer stürze, wenn wir auseinandergehen. Oder mir die Pulsadern aufschneide.“
„Wovor hast du solche Angst?“, fragte er sanft. „Nichts von dem, was ich sage oder tue, hat mit deinen Problemen zu tun. Das, was ich von meinem Ausflug in die Vergangenheit ins Heute mitgenommen habe, ist die Tatsache, dass ich mein Leben wieder zu schätzen weiß. Dass ich wieder leben möchte. Und ich möchte mit dir leben. Weil ich dich liebe.“
„Mich? Und nicht die Idee, dass ich den Platz deiner verstorbenen Frau einnehmen könnte? Dass ich mich um die Gäste kümmere, koche und einen Haufen Kinder in die Welt setze?“, fragte sie mehr, um ihn zu provozieren als aus Überzeugung.
Er sah
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