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Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Henz
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hatte sich hinter seiner Moral und seiner Feigheit versteckt. Wenn er doch nur eine Ahnung von den Konsequenzen gehabt hätte, die seine Entscheidung nach sich zogen. Wenn er doch nur …
    „Komm.“
    Überrascht hob er den Kopf. Die drei Reiter standen wieder vor ihm. Ohne Ketten. Ohne Tessa. Aber mit einem vierten Pferd.
    Langsam kam er näher. „Wohin bringt ihr mich?“
    „Zu Odin. Für deine Hilfe hast du eine Belohnung verdient. Aber es ist nicht an uns, sie dir zu gewähren.“
    Mit neuer Hoffnung schwang er sich auf das Pferd. Zwei der Reiter nahmen ihn in die Mitte und griffen nach den Zügeln seines Pferdes. Der dritte hieb mit der flachen Hand auf die Flanke des Tieres, das einen Satz vorwärts machte. Gemeinsam galoppierten sie auf die Reling zu, die in halsbrecherischer Geschwindigkeit näher kam. Nick schloss unwillkürlich die Augen, als das Pferd zum Sprung ansetzte und mitten ins graue Nichts flog.

dreißig
     
    Sie galoppierten über eine weite Ebene. Der Regen hatte aufgehört, über ihnen spannte sich der Himmel in einem tiefen Azurblau. Auf einer Bergspitze glänzten Zinnen einer Burg golden in den Sonnenstrahlen.
    Ein Name tauchte in Nicks Kopf auf, ebenso unwirklich wie die Szenerie vor ihm: Asgard – der Sitz der nordischen Götter. Viel schneller als es eigentlich möglich war, erreichten sie die Burg.
    Die Wächter ließen sie ohne ein Wort passieren. Im Innenhof erwarteten sie Knappen, um ihnen die Pferde abzunehmen und sie zu den Ställen zu führen. Gemeinsam mit den drei Männern betrat Nick die Burg. Beeindruckt sah er sich um und verdrängte den Gedanken, sich im Regen schweres Fieber geholt zu haben und jetzt einen faszinierenden Traum zu erleben.
    Die Hallen, die er durchquerte, imponierten nicht nur durch Marmorsäulen und goldene Wandtäfelungen, sondern durch ihre schier unvorstellbaren Dimensionen. Die Schritte hallten in den hohen Sälen, aber erstaunlicherweise begegneten ihnen in dem weitflächigen Gebäude nur wenige Knechte und Mägde.
    Vor einer weißgoldenen Flügeltür, die bestimmt zehn Meter hoch war, blieben sie schließlich stehen. „Wir treten jetzt vor Odin. Halte deinen Blick gesenkt und sprich nur, wenn man das Wort an dich richtet.“
    Kers stieß die Tür auf. An einer langen Tafel saß ein gutes Dutzend Männer, neben einigen von ihnen Frauen mit wallendem Haar in den verschiedensten Blondtönen.
    Der Wächter neben der Tür klopfte mit einem Stock auf den Boden. Das Lachen und Stimmengewirr erstarb. Alle Augen richteten sich auf sie.
    Im Kreise seiner Begleiter betrat Nick den Saal und blieb mit ihnen vor der Tafel stehen. Ihm gegenüber thronte ein Mann mit langem, lockigem Haar und einem dichten, rotblonden Bart. Über seinen breiten Schultern hing ein zerknitterter blauer Überwurf, darunter lugte ein weißes Hemd mit zahlreichen gelblich braunen Flecken hervor. Ein Auge war halb geschlossen und so eingefallen, dass vermutlich kein Augapfel in der Höhle dahinter steckte. Auf der Lehne seines Throns hockten zwei Raben.
    Odin. Kein Zweifel. Nick senkte rasch den Blick.
    „Kers, Vigard, Term, ich habe euch erwartet. Habt ihr Kaldak aufgespürt?“
    „Ja, Odin. Mit Hilfe dieses Sterblichen konnten wir ihn in die Felsen am Gjöll bannen. Er wird nicht mehr zurückkommen.“
    „Gut. Ich bin zufrieden. Loki vermutlich weniger, aber das soll uns nicht bekümmern. Seine Brut macht uns Ärger genug.“ Er rülpste und trommelte dann mit den Fingern ungeduldig auf die polierte Platte des Eichentischs. „Beistand geleistet zu haben, um Kaldak unschädlich zu machen, bedingt natürlich den Anspruch auf eine Belohnung. Nun, welche Gunst können wir dir gewähren?“
    Nick blickte auf, aber die Frage hatte nur theoretisch ihm gegolten. Ein zierliches Mädchen eilte mit einem großen, silberbeschlagenen Buch herbei, schlug es auf und reichte es Odin. Der zog die Brauen zusammen und fuhr mit dem Finger die Zeilen entlang. Im Saal herrschte Stille.
    „Reichtum und Besitz scheinen dich nicht zu beeindrucken, mein Freund:“ Er wiegte den Kopf und richtete sein gesundes Auge schließlich doch auf Nick. „Dich als ruhmreichen Krieger in Walhalla zu begrüßen, macht dich auch nicht glücklich, nach allem, was ich hier lese. Was hältst du davon, wenn ich dir die Frau zurückgebe?“
    Nick hielt den Atem an. „Ist das möglich? Ich dachte, sie ist tot“, fragte er heiser und versuchte, die aufsteigende Hoffnung nicht in den Himmel wachsen zu lassen.
    Odin lachte

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