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Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Henz
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war in dieser Welt tot. Daran konnte ich nichts ändern. Also wollte ich Hel mit einem kleinen Geschenk dazu bringen, mir einen Wunsch zu gewähren.“
    „Hels Gesicht ist zur Hälfte verwest“, sagte Tessa langsam.
    Kaldak nickte. „Sie wäre gern hübsch. Mit Meldis’ Gesicht hätte ich sie milde stimmen können und nachdem ich ihr schon hunderte von Kindern geliefert habe, standen meine Chancen nicht schlecht …“
    Hunderte von Kindern. Was für ein Wahnsinn. Tessa konnte das alles nicht glauben. Kaldak, der seiner Schwester unschuldige Seelen verschaffte und sich mit ihrer Hilfe die Vervollkommnung seiner göttlichen Existenz erwartete.
    „… aber mit der vierten Tochter einer vierten Tochter habe ich endlich den Pakt erfüllt und werde mir ein für alle Mal Gerechtigkeit verschaffen.“
    In diesem Moment erkannte Tessa, dass das Lamento, das Daria in Trance aufschrieb, von ihm stammen musste. „Deine Gerechtigkeit.“
    „Natürlich. Meine Gerechtigkeit.“
    Nick schüttelte den Kopf. „Deine Ausführungen sind wirr. Ich halte dir zugute, dass dich der Schmerz über Meldis’ Verlust zermürbt, aber Tessa bekommst du nicht.“
    Kaldaks Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „So? Meinst du? Und meinst du weiter, dass ich dich fragen werde, Krieger?“
    Ehe Nick antworten konnte, flammte gleißende Helligkeit zwischen ihm und Tessa auf. Als sie sich verflüchtigt hatte, musste er feststellen, dass er alleine im Raum stand. Ungläubig wirbelte er herum, aber die beiden waren verschwunden.
    Betäubt versuchte er, einen klaren Gedanken zu fassen. Kaldak hatte Tessa entführt, um sie zu Hel zu bringen, die ihm im Gegenzug Odins Sohn geben würde. Sein Herz schrie auf. Nein, er durfte Tessa nicht verlieren. Das Schicksal konnte nicht so grausam sein, alle seine Hoffnungen aufs Neue zu vernichten.
    Er rannte zur Tür, riss sie auf und stürzte über den Flur. Seine Faust donnerte an die Zimmertür, hinter der er Daria vermutete. Doch nicht sie öffnete nach einer Weile, sondern Berit.
    „Was wollen Sie?“, fragte sie und raffte einen Bademantel vor ihrer Brust zusammen.
    „Tessa“, stammelte er. „Kaldak hat Tessa geholt. Wo ist Daria?“
    Hendrik tauchte hinter Berit auf und legte die Hand auf ihre Schulter. „Ärger, Liebes?“
    Sie wandte den Kopf und blickte ihn an. „Ich weiß nicht. Unser Pensionswirt scheint etwas durch den Wind zu sein. Er sucht nach einer … Tessa. Kennst du jemanden, der so heißt?“
    Entsetzen legte sich wie ein kalter Ring um Nicks Hals. „Berit, ich rede von Tessa, deiner besten Freundin. Du hast sie von Hamburg aus einfliegen lassen, um das Wikingerschiff zu untersuchen.“ Seine Stimme zitterte.
    „Sie müssen sich irren. Ich kenne keine Tessa, und ich habe auch niemanden einfliegen lassen. Weder von Hamburg noch von sonst wo.“ Sie wollte die Tür schließen, setzte aber vorher noch hinzu. „Und Daria ist vor zwei Tagen abgereist, nachdem wir ihr mit der Zwangsjacke gedroht hatten. Vielleicht haben Sie schlecht geträumt, Mr. Dayton. Am besten sie nehmen eine Tablette und legen sich wieder hin.“
    Die Tür fiel zu und Nick starrte sie fassungslos auf die verschnörkelten Zahlen der Zimmernummer. Dann rannte er zurück in Tessas Zimmer und dort bestätigten sich seine schlimmsten Befürchtungen. Das Zimmer war leer. Vollkommen leer und unbenutzt. Er riss die Schränke auf und zerrte die Laden aus der Kommode. Nirgends ein Koffer, eine Tasche oder eine sonstige Spur von Tessa. Als hätte sie niemals existiert.
    Er sank in die Knie, seine Beine gaben einfach nach. Die Erkenntnis, dass er Tessa tatsächlich verloren hatte, raubte ihm jede Kraft. Kaldak hatte sie einfach ausgelöscht. Ausradiert aus der wirklichen Welt.
    Wie sollte er mit dieser Gewissheit nur weiterleben? Er wusste es nicht und er konnte den Gedanken daran nicht ertragen. Zweimal hatte ihn das Schicksal betrogen. Sich damit abzufinden, hieß Tessa wirklich auszulöschen. Er musste versuchen, sie zu finden. So viele Dinge waren geschehen, die rational nicht erklärbar waren, also warum sollte es nicht möglich sein, Kaldak aufzuspüren und Tessa zurückzuholen?
    Aber wo sollte er anfangen? Er nahm die Hände von den Augen. Auf einem Stuhl lag die Maske. Das war ein Anfang. Mühsam stand er auf, griff nach der Maske, betrachtete sie eine Weile und legte sie auf sein Gesicht. Ohne Ergebnis.
    Er sah sich um. Aber die Ketten, die er suchte, waren nicht da. Sie lagen vermutlich noch unten im

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