Stachel der Erinnerung
gehen.«
»Kleiner
Dummkopf«, schimpfte St. Cere, doch in seiner Stimme lag unfreiwillige
Bewunderung. »Wenn Ihr so entschlossen seid, dann werde ich wohl bei Euch
bleiben müssen. Aber ich warne Euch, Gwendolyn Lockhart, Ihr werdet Euren Preis
dafür zahlen müssen.«
Vielleicht
mußte sie das. Doch im Augenblick war ihr das egal. Sie war viel zu gefangen
von seinen silbergrauen Augen, verzaubert von der Erregung, die sie ergriff,
wenn er sie nur ansah. »Wir verpassen den Kampf«, ermahnte sie ilm jedoch, und
einer seiner Mundwinkel zuckte.
»Nun, das
dürfen wir auf keinen Fall.« Er deutete mit dem Kopf in Richtung des Boxringes.
»Nach Euch, Mylady.«
Was hatten
sie für einen Spaß! Gwen hätte das nie für möglich gehalten. Als der Vicomte
erst einmal ihre Anwesenheit akzeptiert hatte, entspannte er sich. Er blitzte
sie mit vergnügtem, strahlendem Lächeln an. Das machte ihn umwerfend jung und
sorglos. Sie standen nun vorne, in der Nähe des Boxringes, und feuerten den
Benachteiligten, Rob Kilpatrick, zu ruhmreichem Sieg an. St. Cere brachte ihr
sogar einen Krug Bier. Er grinste, als sie davon getrunken hatte und sich ein
Bart aus Schaum auf ihrer Oberlippe bildete.
»Ich
glaube, so habe ich Euch schon einmal gesehen«, neckte er sie. Wäre sie nicht
wie ein Mann gekleidet gewesen, so hätte er sie geküßt, dessen war sie sicher.
Sie warteten
nicht, bis der Kampf zu Ende war, aber es war immerhin eine Stunde vor
Mitternacht, als sie das Stadion verließen. Adams Kutsche wartete ein paar
Blocks weiter, doch als sie eingestiegen waren, änderte sich seine
Ausgelassenheit.
Behutsam
nahm er ihr den Hut vom Kopf und strich die seidigen schwarzen Locken aus
ihrem Gesicht. »Ihr seid so wunderschön, so voller Leben ... so unglaublich
lebhaft – ich habe noch nie eine Frau wie Euch getroffen.«
Gwen
fehlten die Worte, als er sich zu ihr beugte und seine Lippen auf ihre preßte,
in einem Kuß, der so vielversprechend war, daß ihr Körper geradezu
dahinschmolz. Seine Hände hatten irgendwo den Weg unter ihre Kleidung
gefunden. Sanft liebkoste er ihre Brüste durch den dünnen Stoffdes
Batisthemdes.
»Es ist
Zeit, Gwen«, flüsterte er zwischen seinen drängenden Küssen. »Ich habe Euch
gesagt, Ihr würdet den Preis bezahlen müssen. Jetzt ist es an der Zeit dafür.«
Ihr
Verstand war so benebelt, daß sie kaum verstand, was er sagte. »W-was?«
»Ich sagte,
es ist Zeit. Ich werde Euch jetzt ins Carlton House bringen. Und dort werde ich
Euch lieben, Gwen. Das wollen wir doch beide, und diesmal lasse ich Euch keine
andere Wahl.«
Der Nebel
in ihrem Kopf begann sich zu lichten. »Was ... was meint Ihr damit?«
»Sagt ja,
Gwen. Sagt mir, daß Ihr wollt, daß ich Euch liebe.«
Sie
schüttelte den Kopf. »Das können wir nicht, Adam – nicht heute abend. Meine
Eltern werden um Mitternacht nach Hause kommen. Es ist bald Mitternacht. Ich
muß unbedingt vor ihnen zu Hause sein.«
Adam
stöhnte unwillig auf. »Morgen abend dann. Kommt zu mir ins Carlton House.« Er
lächelte schief. »Ihr versteht sehr gut, Euch von zu Hause wegzuschleichen.«
Doch Gwens
Verstand funktionierte jetzt wieder. »Carlton House?« Ihre Stimme wurde ganz
leise. »Das ist doch dort, wo die Männer mit ihren Geliebten hingehen. Gestern
habe ich gehört, wie mein Stiefvater mit seinen Freunden darüber gesprochen
hat.«
Adam sah
sie an, und etwas im Ausdruck seiner Augen veränderte sich. »Dann werden wir
in mein Stadthaus gehen. Ich werde meine Kutsche um neun Uhr an der Ecke warten
lassen, um Euch abzuholen.«
Gwen wurde
vorsichtig. »Ich ... ich bin nicht sicher, ob es auch klappt.« Sie sehnte sich
nach Adam Harcourt, doch sie würde die Konsequenzen aus einer solchen
Verbindung tragen müssen. Sie war eigensinnig und unkonventionell, doch ein
Dummkopf war sie nicht.
Das Gesicht
des Vicomte verdüsterte sich. »Ich bin es leid zu warten, Gwen. Ich erwarte von
Euch, daß Ihr kommt.« Er sah sie scharf an, sein Gesicht zeigte den ersten
Anflug von Ärger. »Wenn Ihr das nicht tut, werde ich zu Lord Waring gehen. Ich
werde ihm von dem heutigen Abend berichten – davon, wie Ihr Euch in
Männerkleidern aus dem Haus schleicht. Ich werde ihm auch von der Nacht erzählen,
in der Ihr im Fallen Angel wart.«
Sie starrte
in seine eisigen grauen Augen, und alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. »Ihr
würdet nicht ... Ihr würdet so etwas nicht tun.«
»Ich habe
Euch gewarnt, Gwen. Ihr wußtet von Anfang an, was für ein Mann ich hin.
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