Stachel der Erinnerung
nun herausfand, daß sie ihn durch einen
Trick dazu gebracht hatte, ihn zu heiraten?
»Das Leben
ist voller Risiken«, antwortete sie zögernd. »Wenn du Adam liebst, dann solltest
du ihn heiraten. Das ist es, was ich an deiner Stelle tun würde.«
Gwen
starrte auf den Mann hinunter, der noch immer vor ihr kniete. Ihre Hand
zitterte, als sie sie auf sein Haar legte. »Seid Ihr sicher, Adam? Sagt Ihr das
nicht nur aus Mitleid? Bitte, für uns beide, Ihr müßt mir die Wahrheit sagen.«
Er stand
auf und zog sie in seine Arme, hielt vorsichtig ihren verletzten und
zerschlagenen Körper an sich gedrückt. »Ich bin verrückt nach dir, Gwen. Ich
liebe dich, wahnsinnig, verzweifelt. Ich habe auf alle möglichen Arten
versucht, das zu leugnen, doch es hat nicht geholfen. Als ich heute abend in
dieses Zimmer kam und sah, was Waring dir antat, da bin ich fast durchgedreht.
Ich wußte in diesem Augenblick plötzlich, warum ich dich mit Drohungen gefügig
machen wollte. Ich war verzweifelt ... weil ich dich liebte. Bitte, meine
wunderschöne Gwendolyn. Sag, daß du meine Frau werden wirst.«
Sie blickte
noch einmal zu Jessie, dann begann sie zu lächeln. »Wenn Jessica mit einem
Ungeheuer wie Strickland fertig werden kann, dann denke ich, kann ich auch mit
einem Ungeheuer wie dir fertig werden.«
Adam warf
den Kopf zurück und lachte glücklich auf. Es war ein volles, tiefes, von Herzen
kommendes Lachen. Aus ihm klang so viel Glück, daß Jessies Augen feucht wurden.
Sie sagte
nichts mehr, leise schlüpfte sie aus dem Zimmer und ließ die Liebenden allein.
Die beiden bemerkten gar nicht, daß sie gegangen war. Gwen zog am nächsten
Morgen bei ihr ein und blieb die folgenden drei Tage im Stadthaus von Belmore.
Am vierten Tag heiratete sie Adam Harcourt.
So
glücklich Jessie für ihre Freundin war, so mußte sie doch unentwegt an Matthew
denken. Sie vermißte ihn so schrecklich und wünschte sich nichts sehnlicher als
seine Rückkehr.
24
Das
Warten war endlich
vorüber. Matt hob das schwere Messing-Fernrohr an die Augen und suchte den
Horizont nach den französischen Schiffen ab. Der Wind hielt sich und erlaubte
den Schiffen
von beiden Seiten, ihre Positionen einzunehmen. Sie segelten vor den Stränden
von Cádiz, nicht weit von Kap Trafalgar entfernt.
Vor zwei
Tagen waren die französische und die spanische Flotte aus dem Hafen von Cádiz
gesegelt, mit gehißten Topsegeln. In der Morgendämmerung des heutigen Tages
hatte die Signalflagge die Neuigkeit verbreitet: Der Feind kam in Formation –
es war an der Zeit, die britischen Positionen einzunehmen.
Matthew
lief unruhig über das Quarterdeck. Er betrachtete die Reihe der Schiffe, die
näher kamen, und betete, daß Nelsons Strategie von Schnelligkeit, Verwegenheit
und Seemannskunst die bevorstehende Schlacht gewinnen könnte.
Soweit er
es einschätzen konnte, würden die einunddreißig Schiffe von Nelson einer Flotte
von dreiunddreißig Schiffen gegenüberstehen. Wahrscheinlich würden Villeneuve
und seine Streitkräfte eine Abwehrschlacht kämpfen, sie würden Stangenkugeln
und Kettenkugeln einsetzen, um die Takelage zu treffen und die Verfolger
aufzuhalten.
Nelsons
Männer würden auf den Rumpf zielen, ihre Kanonen würden Rundgeschosse
abfeuern, um die Schiffe zu zerstören, damit sie sie entern konnten. Ein
Schiff zu entern bedeutete Prisengelder: für jede tausend Pfund, die der
Kapitän bekam, gingen zwei Pfund – mehr als der Monatslohn eines Seemannes – an
jeden Mann der Mannschaft.
Matt schob
das Fernrohr wieder zusammen. Er stand an der Reling und blickte über die
leichten Wellen. Eine stetige Brise wehte und machte es nicht nötig, die Segel
zu trimmen. Das leise Flattern, das Klirren in der Takelage mischte sich mit
dem Rauschen des Wassers am Bug. Seit Wochen hatten sie jetzt den Feind
belauert, hatten ihre Schiffe in die beste Position manövriert. Jetzt, wo die
Schlacht so nahe vor ihnen lag, mußte er feststellen, daß seine Gedanken immer
wieder abschweiften.
Er dachte
an Jessie, an die Art, wie sie voneinander Abschied genommen hatten, und daran,
was sein Freund Graham gesagt hatte. Liebe war keine Sache, die ein Mann wie
Matthew auf die leichte Schulter nahm. Ein so tiefes Gefühl für einen anderen
Menschen bedeutete Leid. Das wußte er schließlich aus eigener Erfahrung.
Und es
bedeutete auch, daß man ein großes Risiko einging. Er rief sich die Gefühle ins
Gedächtnis, mit denen er gekämpft hatte, als er glaubte, daß Jessie
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